Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
spürte, daß das, was er sagte, völlig wahr war, doch wie die Antwort, die sie ihm gegeben hatte, als er sie nach der goldenen Fadenpflanze gefragt hatte, war es nicht die ganze Wahrheit.
"Du bist schon so lange fort, Jondalar", sagte Tholie, offensichtlich enttäuscht, "Selbst wenn sie ihm helfen können -woher weißt du, ob deine Mutter oder dieser Zelandoni noch am Leben ist?"
"Ich weiß es nicht, Tholie, aber ich muß es versuchen. Auch wenn sie ihm nicht helfen können, sollten Marthona und alle seine anderen Verwandten wissen, wie glücklich er hier bei Jetamio und dir und Markeno gewesen ist. Meine Mutter hätte Jetamio ins Herz geschlossen - und auch dich. Tholie. Davon bin ich überzeugt."
Die Frau versuchte, es nicht zu zeigen, aber sie fühlte sich trotz ihrer Enttäuschung durch seine Bemerkung geschmeichelt.
"Thonolan war auf eine große Reise gegangen - und es war immer seine Reise. Ich war nur dabei, um auf ihn acht-zugeben. Ich möchte von dieser Reise berichten. Er reiste den ganzen weiten Weg bis zum Ende des Großen Mutter Flusses; doch was wichtiger ist: Er fand eine Heimstatt hier, bei Leuten, die ihn liebten. Es ist eine Geschichte, die zu erzählen sich lohnt."
"Jondalar, ich glaube, du versuchst immer noch, deinem Bruder zu folgen und auf ihn aufzupassen, selbst in der nächsten Welt", sagte Roshario. "Wenn es das ist, was du tun mußt, können wir dir nur alles Gute wünschen. Shamud hätte uns wahrscheinlich gesagt, daß du deinen eigenen Weg gehen mußt."
Ayla dachte über das nach, was Jondalar getan hatte. Das Angebot Tholies und der Sharamudoi, einer der Ihren zu werden, war nicht leichtfertig gemacht worden. Es war ein großzügiges und sehr ehrenvolles Angebot, das abzuweisen fast einer Beleidigung gleichkam. Nur das starke Gefühl, ein höheres Ziel erreichen, eine unabdingbare Pflicht erfüllen zu müssen, konnte diese Ablehnung rechtfertigen. Jondalar zog es vor, nicht zu erwähnen, daß er sich den Sharamudoi zwar verwandt fühlte, daß sie aber nicht die Verwandten waren, nach denen sein heimwehkrankes Herz sich zurücksehnte. So hatte er mit seiner unvollkommenen Wahrheit einen Grund für die Ablehnung gegeben, der ehrenvoll war und bei dem niemand das Gesicht verlor.
Im Clan war es statthaft gewesen, nicht die ganze Wahrheit zu sagen, um ein Element des Privatlebens in einer Gesellschaft zu bewahren, in der es schwierig war, etwas voreinander zu verbergen; Gefühle und Gedanken ließen sich so leicht aus Zeichen, Körperhaltung und Gesten erraten. Jondalar hatte es nicht an Rücksicht fehlen lassen. Sie hatte das Gefühl, daß Roshario der Wahrheit auf der Spur war, und daß sie seine Entschuldigung aus dem gleichen Grunde akzeptierte, aus dem er sie gegeben hatte. Das Feingefühl, das beide Seiten walten ließen, entging Ayla nicht, aber sie wollte darüber nachdenken; sie begriff, daß großzügige Angebote auch eine Kehrseite haben können.
"Wie lange willst du bleiben, Jondalar?" fragte Markeno. "Mit den Pferden sind wir schneller vorangekommen, als ich ursprünglich dachte. Ich habe nicht geglaubt, vor dem Herbst hier einzutreffen", meinte er. "Aber wir haben noch einen langen Weg vor uns, und es gibt viele Hindernisse. Ich möchte so rasch wie möglich aufbrechen."
"Jondalar, wir können nicht so schnell abreisen", unterbrach ihn Ayla. "ich kann erst fort, wenn Rosharios Arm wieder gesund ist."
"Wie lange wird das dauern?" fragte Jondalar und runzelte die Stirn.
"Ich habe Roshario gesagt, sie müssen ihren Arm noch einen vollen und einen halben Mond in der Birkenrinde lassen", sagte Ayla.
"Das ist zu lange. Wir können nicht so lange bleiben."
"Wie lange können wir bleiben?" fragte Ayla.
"Nicht sehr lange." "Aber wer soll die Rinde abnehmen? Wer soll wissen,wann die Zeit dafür gekommen ist?"
"Wir haben einen Boten nach einem Shamud geschickt", sagte Dolando. "Weiß das ein anderer Heiler nicht?"
"Ich denke schon", sagte Ayla. "Aber ich würde gern mit diesem Shamud reden. Können wir nicht wenigstens so lange bleiben, bis er kommt?"
"Wenn es nicht zu lange dauert. Aber vielleicht solltest du Dolando und Tholie sagen, was zu tun ist - für alle Fälle."
Jondalar striegelte Renners Fell, das schnell nachgewachsene war und jetzt dichter wurde. Es war kühl an diesem Morgen und der Hengst schien besonders verspielt zu sein.
"Ich glaube, du bist genauso versessen darauf, von hier fortzukommen, wie ich, was, Renner?" sagte er. Das Pferd zuckte
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