Zyklus der Erdenkinder 05 - Ayla und der Stein des Feuers
wünschte, es wäre nie geschehen, aber auch er hatte irgendetwas mit mir gemacht. Ich bin anders seit damals, meine Träume fühlen sich anders an, und manch mal habe ich das eigenartige Gefühl, an einen sonderbaren Ort zu reisen, und - wie soll ich sagen - manchmal weiß ich, was die Leute denken. Nein, das stimmt nicht ganz, ich weiß eher, was sie fühlen, obwohl auch das nicht ganz zutrifft. Vielleicht eher, was sie sind. Ach, Jondalar, ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Meistens wehre ich mich dagegen, aber man ches kann ich nicht beiseite drängen, besonders wenn jemand so starke Gefühlsausbrüche hat wie Brukeval.«
Jondalar hatte einen merkwürdigen Ausdruck in den Augen. »Weißt du, was ich denke? Was für Gedanken mir durch den Kopf gehen?«
»Nein, genau erkennen kann ich Gedanken nicht. Aber ich weiß, dass du mich liebst.« Seine Miene verfinsterte sich. »Dir passt das nicht, oder? Vielleicht hätte ich den Mund halten sol len.« Jondalars Gefühle legten sich wie eine schwere, drücken de Last auf ihren Geist. Jondalar war ihr immer sehr vertraut gewesen. Sie ließ die Schultern hängen, der Kopf sank ihr auf die Brust.
Kaum hatte er ihre Niedergeschlagenheit bemerkt, da war sein Unmut auch schon wie weggeblasen. Er fasste sie bei den Schultern und sah ihr in die Augen. Sie hatte wieder diese un fassbar tiefen Augen, die bis in die Urzeit zu reichen schienen und die ihm schon früher gelegentlich an ihr aufgefallen waren. Sie drückten Trauer und eine unsagbar tiefe Schwermut aus.
»Ich habe nichts vor dir zu verbergen, Ayla. Mir ist egal, ob du weißt, was ich denke oder fühle. Ich liebe dich. Ich werde nie aufhören, dich zu lieben.«
Vor Liebe und Erleichterung rollten Tränen über ihre Wan gen. Sie zog ihn an sich, und sie küssten sich. Er hielt sie sanft in den Armen, als wolle er sie vor jedem Schmerz beschützen. Und sie klammerte sich an ihn. Solange Jondalar bei ihr war, konnte ihr doch nichts geschehen, oder? Dann fing Jonayla an zu schreien.
»Ich will nur Mutter und deine Gefährtin sein, Jondalar. Ich will keine Zelandoni werden«, sagte Ayla, während sie das Baby holte.
Sie hat wirklich Angst, dachte er, aber wer hätte das nicht? Mir wird es schon in der Nähe eines Bestattungsplatzes un heimlich. Nie im Leben würde ich auf die Idee kommen, die Welt der Geister zu besuchen. Als sie ihm mit dem Baby auf dem Arm und Tränen in den Augen entgegenkam, durchflutete ihn eine Welle von Zuneigung, und sein Beschützerinstinkt regte sich. Soll sie doch Zelandoni werden. Für ihn würde sie immer seine Ayla bleiben, ihn würde sie immer brauchen.
»Es wird schon gut gehen, Ayla.« Er nahm ihr das Baby ab und wiegte es in seinen Armen. Er war noch nie in seinem Le ben so glücklich gewesen wie nach ihren Hochzeitsriten, und seit der Geburt von Jonayla hatte sich sein Glück noch vertieft. Er lächelte das Kind an. Ich glaube wirklich, dass sie auch meine Tochter ist, dachte er.
»Die Entscheidung liegt bei dir, Ayla«, sagte er aufmunternd. »Außerdem stimmt es ja. Auch wenn du den Zelandonia bei trittst, musst du nicht unbedingt eine Zelandoni werden. Und wenn doch, wäre das auch in Ordnung. Ich habe immer ge wusst, dass ich mich mit einer ganz besonderen Frau verbun den habe. Du bist nicht nur eine schöne Frau, sondern hast auch eine seltene Begabung. Du bist von der Mutter erwählt. Das ist eine Ehre. Sie hat es dir bei unseren Hochzeitsriten deutlich gezeigt. Und jetzt haben wir eine bildhübsche Tochter. Es stimmt doch, dass sie auch meine Tochter ist, nicht wahr?«
Wieder schossen ihr die Tränen in die Augen, aber sie lächel te. »Ja. Jonayla ist deine und meine Tochter«, schluchzte sie. Mit dem freien Arm zog er sie an sich und hielt nun die beiden Menschen, die er am meisten liebte, fest umschlossen. »Wenn du jemals aufhören würdest, mich zu lieben, Jondalar, wüsste ich nicht, was ich tun sollte. Bitte hör niemals auf, mich zu lieben«, flüsterte Ayla.
»Natürlich werde ich nie aufhören, dich zu lieben. Ich werde dich ewig lieben. Nichts wird mich davon abbringen können«, versicherte Jondalar aus tiefstem Herzen und hoffte, dass es tatsächlich immer so sein würde.
Endlich neigte sich der Winter dem Ende zu. Die vom Staub schon ganz grau gewordenen Schneeverwehungen schmolzen dahin, und die ersten Krokusse steckten ihre lila und weißen Köpfe heraus. Die Eiszapfen tröpfelten, bis sie endgültig ver schwanden, und die ersten grünen Knospen wagten sich
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