begannen, daraus Kapital zu schlagen, indem sie für ihre jeweiligen Schauspieler ein ganz spezifisches Image aufbauten und vertraglich fixierten. Um den Preis höherer Gagen hatten die Schauspieler sich diesen Festschreibungen in mehrjährigen Exklusivverträgen zu fügen. Kleidung, Frisur, Lebensgewohnheiten, ja sogar die Frage einer Heirat unterlagen der Kontrolle der Produktionsgesellschaften. Durch diese Maßnahmen erhielten die Schauspieler bestimmte Eigenschaften zugewiesen, deren Gesamtheit ihr Image ausmachten und die sie in die jeweiligen Filme mit einbrachten. Das Publikum wußte so im voraus, welches emotionale Grundmuster in einem entsprechenden Film zu erwarten war.
Der erste wirklich große Star dieser Zeit war Rudolpho Alfonzo Rafaelo Pierre Filibert Guglielmi di Valentina d'Antonguolla, genannt Rudolpho Valentino. 1895 als Sohn eines italienischen Veterinärs und einer Französin geboren, muß er ein derart verzogenes Kind gewesen sein, daß er mehrfach der Schule verwiesen wurde. Immerhin erlangte er einen Diplomabschluß in Landwirtschaft, bevor er – nach einem Intermezzo in Paris – im Dezember 1913 nach New York aufbrach. Hier arbeitete er zunächst als Gogo-Boy, bis es ihn 1917 nach Hollywood zog. Dort wurde er mit dem Film Der Scheich zum Star und zum Sexsymbol von Millionen von Frauen. In seinen Filmen wurde er vorzugsweise als zärtlich fühlender Liebhaber mutiger, junger Frauen gezeigt, eine Mischung aus Leidenschaft und Melancholie. Die Frauen waren verrückt nach ihm, für ihn wurden die ersten Fanclubs gegründet, seinem Privatleben widmeten sich Zeitungen, Zeitschriften und Fan-Magazine in vorher nicht gekanntem Ausmaß. Die Männer fanden ihn allerdings im allgemeinen weniger beeindruckend, als »rosa Puderquaste« wurde er in einem Leitartikel der Chicago Tribune bezeichnet. Seine Karriere war nur kurz, denn bereits 1926, im Alter von nur 31 Jahren, starb er an einer Bauchfellentzündung. Heute kaum noch vorstellbar, aber zweihunderttausend Menschen wollten seinen Leichnam sehen, es kam zu mehreren Selbstmorden, und selbst Mussolini schickte Blumen und eine Ehrengarde von Schwarzhemden (Patalas, 1967).
Mit der Erfindung des Stars erhielten die PR-Abteilungen der Produktionsfirmen eine neue Aufgabe: Sie mußten das jeweilige Image nicht nur schaffen, sondern auch unter die Leute bringen. Dazu dienten zunächst einmal die klassischen Massenmedien wie Tageszeitungen und Wochenzeitschriften, in denen Berichte über das Privatleben und über öffentliche Auftritte der Stars gedruckt wurden. Aber mit dem Starphänomen entstanden auch spezielle Filmzeitschriften, so etwa in Berlin der Filmkurier (1919-1944) mit der Beilage Illustrierter Filmkurier und die Licht-Bild-Bühne (1908-1934; vgl. Kessler & Wulff, 2002). Zeitschriften dieser Art befaßten sich nahezu ausschließlich mit Filmen und Filmstars. Zusätzlich wurden Fanmagazine, Plakate, Programmhefte, Sammelbilder und Starpostkarten zu speziellen Kommunikationsmitteln zwischen den Stars und ihren Bewunderern. Öffentliche Auftritte bei gesellschaftlichen Ereignissen und vor allem bei den Uraufführungen ihrer Filme kamen hinzu.
Allerdings würde der Eindruck täuschen, Stars seien vollständig ein Produkt der Produktionsfirmen und ihrer PR-Abteilungen, kühl kalkuliert, mit Blick auf die Konkurrenz und den Zeitgeist. Es ist umgekehrt, entstanden ist der Star letztlich aus den Wünschen des Publikums. Selbst Marlene Dietrich wurde nicht über Nacht zum Star, vielmehr hat sie sich über kleine Theater- und Filmauftritte zur Rolle der Lola Lola hochgearbeitet, die offenbar besonders gut zu ihrem Typ und zum damaligen Zeitgeist gepaßt hat. Besonders gefiel sie dabei dem Vertreter der Paramount, so daß diese Produktionsfirma sie dem amerikanischen Publikum als Star angeboten hat. Das war für alle Beteiligten nicht ohne Risiko, konnte doch niemand vorhersagen, ob das Publikum diesen Frauentyp akzeptieren würde. Das Produkt »Marlene« traf offenbar den Zeitgeschmack und wurde zum Mythos. Andere Schauspieler – es ist die Mehrheit – erreichen nie den Status eines Stars, sie bleiben bestenfalls »Starlets« oder Filmsternchen. Entscheidend in diesem Bedingungsgefüge ist also letztlich das Publikum, die Produktionsfirmen können bis heute nicht viel mehr tun, als immer wieder neue Starangebote auf den Markt zu bringen.
Spätestens jetzt stellt sich also die Frage, warum sich das Publikum eigentlich Stars schafft. Die Antwort liegt
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