der Eindruck erzeugt, er habe so etwas wie eine reale und dauerhafte soziale Beziehung zu der Person auf dem Bildschirm. In weiteren Befragungen ergab sich u.a., daß die Bindungen an bestimmte Nachrichtensprecher mit ihrer sozialen Attraktivität (»... könnte mein Freund sein«), aber auch mit deren körperlicher Attraktivität zusammenhingen. Sie werden im persönlichen Beziehungsgefüge zwischen sehr guten Freunden und guten Bekannten, neben den »guten Nachbarn« eingeordnet. Außer bei sozial isolierten älteren Menschen hängt die Ausbildung solcher parasozialen Beziehungen nicht einmal – wie man erwarten könnte – mit persönlicher Einsamkeit zusammen, sie werden vielmehr als Ergänzung der realen Sozialkontakte gesehen. Das soziale Kapital des TV-Stars ist also vor allem sein Image vom guten Nachbarn.
Der Filmstar hat aber durch das Fernsehen nicht nur einen kleineren Bruder bekommen. Das Fernsehen hat auch eine mächtigere Variante als den Filmstar (mit) erschaffen – den Rock- und Popstar. Er ist deswegen mächtiger, weil er in konzentriertester Form bietet, was das Publikum sich am meisten wünscht: den großen Auftritt. Auch hier verlief die Entwicklung langsam, die deutschen Schlagerstars Helmut Zacharias, Friedel Hensch und die Cypries oder Ilse Werner garnierten zunächst nur Quiz- und Unterhaltungssendungen (vgl. Schindler, 1999a). Im Jahr 1959 bzw. 1960 erhielten dann Vico Torriani bzw. Catarina Valente ihre eigenen Showsendungen, Stammgäste waren u.a. Peter Alexander, Billy Mo, Lolita und das Hazy-Osterwald-Sextett. Ab 1969 wurde die Hitparade mit dem gelernten Autoverkäufer Carl Dietrich Heckscher alias Dieter Thomas Heck für das ZDF ein Quotenbringer. Inzwischen kamen mit dem 1965 bei Radio Bremen produzierten Beat-Club aber auch die englischen und amerikanischen Popsongs in das deutsche Fernsehen.
Die wohl wichtigste Veränderung kam hier wiederum aus den USA: der weltweit erste kommerzielle Musikspartenkanal MTV, der ab 1981 in den USA, ab 1987 auch in Deutschland (zunächst) ausschließlich drei- bis fünfminütige Musikvideos zeigte. Dabei handelt es sich um kleine Filme, in denen ein Popstar im Mittelpunkt einer musikalischen Inszenierung steht.
Weibliche Popstars werden meistens attraktiv und sexy in Szene gesetzt, männliche im Kontext von Fun und Action gezeigt (Gleich, 1995). Sex und Gewalt sind die dominierenden Themen, vier bis fünf sexuelle und etwa drei aggressive Handlungen kommen pro Clip vor (vgl. Preston & Eden, 2002). MTV erreicht inzwischen weltweit fast 400 Millionen Haushalte in knapp 170 Ländern, das entspricht etwa einer Milliarde Zuschauer. In Deutschland macht ihm seit 1993 der deutsche Musiksender VIVA erfolgreich Konkurrenz. Mitreißender wird der große Auftritt nur noch bei Live-Konzerten inszeniert: Vorgruppen erhöhen die Spannung, die gesamte Inszenierung der Bühnenshow läuft auf den einen Moment zu – der Star ist da. In diesem dramaturgisch höchst professionell vorbereiteten Moment bricht sich die angesammelte Erregung des Publikums nahezu ekstatisch Bahn.
Der Filmstar hat also mindestens zwei Geschwister bekommen, den hinsichtlich seines Projektionspotentials für das Publikum etwas schwächeren TV-Star und den wegen seines Auftritts deutlich stärkeren Popstar. Das sind aber nicht die einzigen Mitglieder der Familie, denn in den Jahrzehnten des TV-Zeitalters hat nahezu jeder Bereich der Gesellschaft seine eigenen Stars hervorgebracht. Natürlich sind nicht alle Sektoren gleichermaßen geeignet, denn wo es weniger zu inszenieren gibt und weniger sexy zugeht, wachsen Stars nur zögerlich. Der Sport ist inzwischen aber ein vielversprechendes Gebiet geworden. Die meisten sportlichen Aktivitäten sind mindestens mit Dramatik verbunden, viele Sportarten – z.B. Leichtathletik oder Schwimmen – erlauben den Sportlern zudem eine attraktive und körperbetonte Selbstinszenierung. Auch die Politik hat inzwischen ihre Stars, den Grundstein dazu haben die ersten Fernsehdebatten zwischen Kennedy und Nixon gelegt. Selbst in so spröden Gebieten wie der Kunst (Stardirigent, Stararchitekt), der Wirtschaft und der Wissenschaft wird der Begriff inzwischen genutzt, wenngleich mit deutlich weniger Erfolg.
Darüber hinaus ist die Starfamilie auch noch weitläufig verwandt mit den Prominenten. ›»Die Prominenten – das grausliche Substantiv bezeichnet keine Eigenschaft mehr, sondern eine Kategorie, eine Steuergruppe -; sie haben dem Deutschen nach den Wirren
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