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Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Pan
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das deutsche Fernsehpublikum herein. Einen neuen Schub erhielt das Genre mit der auf Dauer angelegten ARD-Serie Die Lindenstraße, die im Dezember 1985 erstmals und danach und bis heute jeden Sonntag gesendet wurde. Für das ZDF hatte die im gleichen Jahr erstmals ausgestrahlte Schwarzwaldklinik einen ähnlichen Erfolg.
    Eine Auswirkung dieser Erfolge waren weitere Serien, nun auch in anderen beruflichen Milieus: Neben den Ärzten erschienen Kommissare und Privatdetektive, Anwälte, Pfarrer, Lehrer und Förster in entsprechenden Serien auf dem Bildschirm. 1992 schließlich wurde mit der RTL-Serie Gute Zeiten, schlechte Zeiten die tägliche Seifenoper für ein jüngeres Publikum fester Programmbestandteil, der sich u.a. die Serien Marienhof, Verbotene Liebe, Jede Menge Leben und Unter uns anschlossen. Seitdem sehen in Deutschland Werktag für Werktag rund 12 Millionen Zuschauer eine von rund 80 Serien!
    Auch und gerade zu den Figuren aus Serien entwickeln sich also parasoziale Beziehungen, die Zuschauer denken an die Figur auch außerhalb der TV-Rezeption, sie sprechen in Gedanken mit ihr, haben sie gern bei sich zu Hause und empfinden sie als attraktiv und als guten alten Freund. In Deutschland sind dies u.a. Captain Picard, Professor Brinkmann, Derrick und andere aus Serien wie Raumschiff Enterprise, Lindenstraße oder eben Derrick (Vorderer, 1996). Diese Bindungen gelten in erster Linie der Figur in der Serie und nicht dem jeweiligen Schauspieler, was gelegentlich zu aberwitzigen Verwechslungen führt:
    Einer der Darsteller der Serie Gute Zeiten, schlechte Zeiten wurde in einem Supermarkt von einem wildfremden Mann umarmt und mit den Worten getröstet: »Ich kann verstehen, was Sie mitmachen!« In der Serie – und nur dort – hatte die von dem Schauspieler dargestellte Figur gerade ein Kind verloren. Interessanterweise hat dieser Effekt auch den Schauspieler selbst erwischt. Nachdem er auf eigenen Wunsch aus der Serie herausgeschrieben war, hat es ihn nach eigenen Angaben schmerzlich getroffen, als er in der Zeitung lesen mußte, daß seine (Serien-) Ex-Frau wieder neu liiert war (Landbeck, 2002).
    Ein anderes Beispiel ist der Darsteller des Professor Brinkmann in der Sendung Schwarzwaldklinik, Klaus-Jürgen Wussow. Er wurde angeblich von Zuschauern in Briefen um medizinischen Rat gebeten.
    Einem amerikanischen Arztdarsteller wurde sogar die Übernahme einer Praxis angeboten. Zudem erhalten die amerikanischen Produzenten von Seifenopern säckeweise Post für ihre Serienärzte oder -anwälte mit der Bitte um medizinischen oder juristischen Rat; Dr. Marcus Welby beispielsweise, der Arzt einer gleichnamigen Serie, erhielt eine Viertelmillion derartiger Briefe (Meyrowitz, 1994).
    Die CBS läßt keine armen Figuren mehr in ihren Seifenopern auftreten, weil sich danach die Care-Pakete in den Redaktionen stapeln (Fowles, 1992).
    Besonders schön ist aber das Beispiel einer Schauspielerin, die in einer Seifenoper eine erfolgreiche Broadway-Schauspielerin gespielt hat. Sie erhielt einen Zuschauerbrief mit der Frage: »Haben Sie je daran gedacht, auch im wirklichen Leben Schauspielerin zu werden?« (Fowles, 1992)
    Natürlich sind dies extreme Beispiele, extreme parasociability haben Horton und Wohl (1956) sie genannt. Zu fragen ist daher, ob auch der durchschnittliche Zuschauer solche oder ähnliche parasozialen Bindungen entwickelt. Nach der Schilderung von Günther Anders könnte man vermuten, daß vor allem Menschen mit zu wenigen realen Sozialkontakten sich damit vor der Einsamkeit schützen wollen. Empirische Untersuchungen zeigen, daß dies bei sozial isolierten älteren Menschen in der Tat der Fall ist. Insofern stimmt das genannte Beispiel mit der Babywäsche mit der Forschung überein.
    Bei allen anderen Zuschauern aber hängt die Entwicklung parasozialer Beziehungen nicht vom Ausmaß der persönlichen Einsamkeit ab, allenfalls von der formalen Bildung. Besonders von Personen mit geringer formaler Bildung werden die Beziehungen zu Fernsehmoderatoren als Ergänzung der realen Sozialkontakte gesehen. Zwischen sehr guten Freunden und guten Bekannten, etwa auf gleicher Höhe mit den »guten Nachbarn«, werden Ulrich Wickert und seine Kollegen von den Zuschauern eingeordnet. Und das Gespräch über sie – von den Jüngeren inzwischen in eigens dafür eingerichteten Chatrooms auf den Homepages der Serien geführt – ersetzt den nachbarschaftlichen Klatsch über den Gartenzaun.
    Die Gesellschaft der Quasi-Freunde aus

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