dem Fernsehen wird also offenbar von allen Fernsehzuschauern ganz gern aufgesucht. Zwar finden sich in den extremen Beispielen auch Elemente der Beziehung des Fans zum (Film-) Star, insgesamt jedoch erscheint das Verhältnis der Zuschauer zu den Fernsehfreunden als weniger aufgeheizt. Woran liegt das?
Die Unterschiede ergeben sich aus der Häufigkeit und der Art des medialen Auftritts. Filmstars erscheinen nicht wöchentlich oder gar täglich, sondern nur gelegentlich auf der Leinwand. Ihre Rollen haben fast immer mehr Wirkung, ist doch die Rezeptionssituation im dunklen Kino und in der Gesellschaft vieler anderer Zuschauer eine ganz andere als vor dem heimischen TV-Gerät (vgl. Mikunda, 2003). Auch haben ihre öffentlichen Auftritte mehr Glamour als die von Serienschauspielern oder von Moderatoren. Filmstars sind die Götter im Medienuniversum, eine ferne Projektionsfläche für die Idealisierungswünsche ihrer Fans. Genau das macht sie für den Fan so bewundernswert: Je höher, größer und berühmter das Ich-Ideal, um so nachhaltiger ist die Wirkung für sein schwaches Ich.
Im Fernsehen treten demgegenüber die meisten Medienfiguren – Moderatoren und Serienfiguren – ohne viel Glamour auf. Dadurch sind sie zwar nicht so attraktiv wie die (Film-)Stars, ja sie werden als potentielle Ich-Ideale sogar ein wenig unattraktiv. Aber sie bieten dem Zuschauer durch die Art und Regelmäßigkeit ihres Auftretens die Illusion der »Face-to-face«-Kommunikation. Dadurch rücken sie ihm erheblich näher, werden also zu guten Freunden und Nachbarn. Sie eignen sich hervorragend als Partnerideale: »... eine Medienfigur ist ein perfekter Freund – verläßlich, diskret und unkritisch«, so haben amerikanische Forscher (Perse & Rubin, 1989, eigene Übersetzung) dies einmal ausgedrückt.
Solche Art Freundschaft kommt der oberflächlichen Affektivität des histrionischen Sozialcharakters entgegen, denn parasoziale Bindungen sind weniger anstrengend als reale soziale Beziehungen: Man kann sich die passenden Typen aussuchen, sie bei Bedarf durch immer neue Figuren ersetzen und diese beliebig verfügbar halten. Beispielsweise zeigte sich bei einer 1992 durchgeführten Untersuchung (Kepplinger, & Weißbecker, 1997), daß besonders Frauen, die mit ihrem Leben unzufrieden sind, ein ausgeprägtes Interesse an sympathischen Darstellern von Seifenopern haben und sich stärker mit durchsetzungsfähigen, sozial kompetenten und zufriedenen Charakteren identifizieren. Das Risiko, in diesen Beziehungen erneut die schmerzhafte Erfahrung der Bindungsunsicherheit machen zu müssen, ist minimiert. Bei 80 täglichen Seifenopern im deutschen Fernsehen läßt sich sogar beim Ableben einer Serienfigur schnell was Neues finden. Und oft genug hat ja der Protest der Zuschauer eine bereits gestorbene Serienfigur wieder auferstehen lassen.
Es kommt hinzu, daß der Handlungsraum der Medienfreunde in den Serien dem Lebensgefühl des Histrio entgegenkommt: Sie bedienen sein Verlangen nach einer impressionistischen, nichtfaktischen und phantastischen Welt. Es ist immer was los in den Serien, und alle Akteure handeln in einem Klima aufgeheizter Emotionalität. Andererseits sind die ausgelösten Gefühle auch nicht allzu tief, denn in 45 Minuten müssen überschäumendes Glück ebenso wie tiefe Trauer abgearbeitet sein. Allenfalls ein wenig sentimentale Stimmung darf bis zur nächsten Serie, zum nächsten Event noch nachklingen. Und schließlich beglaubigen die Serienhelden auch noch das histrionische Verhalten des Zuschauers, er selbst agiert ja auch nicht anders als die Figuren auf dem Bildschirm. Darüber hinaus zeigen sie ihm aber auch neue Inszenierungsvarianten für den Alltag.
Aber es ist ja nicht so, als würde das Fernsehen nur die guten Freunde präsentieren. Es zeigt dem Zuschauer ja auch die bewunderten Stars in ihren jeweiligen Rollen im Film, auf der Bühne oder im Sport. Darüber hinaus kann er sie auch noch in den Boulevardmagazinen und Talkshows als Menschen bewundern. Anders als der Film bietet das Fernsehen dem Histrio also beides – Glamour und parasoziale Nestwärme. Aus einem breiten Starangebot kann er sich ein auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes Ich-Ideal aussuchen und sich – je nach individueller histrionischer Färbung – mehr oder weniger intensiv mit ihm einlassen. Hinzu tritt ein umfangreiches Angebot an disponiblen Partneridealen, die das Gefühl der Bindungssicherheit hervorrufen und als Beglaubigungspotential für das
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