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Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Pan
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Begriffen) sowie deren Austausch und Diskussion ermöglicht.
    Die Erfindung der Schrift – so McLuhan weiter – führt demgegenüber zu einer Dominanz des visuellen Sinnes. Nunmehr werden Informationen vorwiegend durch das Auge aufgenommen. Die Schrift macht zudem geringe Entfernungen zwischen den Kommunikationspartnern entbehrlich, da sie fixiert und über weite Entfernungen hin transportiert werden kann. Insbesondere das Alphabet erzwingt und fördert zugleich spezifische kognitive Leistungen. Informationen werden jetzt nicht mehr ganzheitlich und umfassend mitgeteilt und verstanden, vielmehr müssen sie in geordnete Serien von Elementen (Buchstaben) übersetzt werden, die für sich genommen zumeist bedeutungslos sind. Diese von der Schrift geförderte Abstraktionsleistung ist die Ursache für die rationale, analytisch-zergliedernde Denkweise bzw. für die »Linearisierung des Denkens« in den westlichen Kulturen.
    Mit der Erfindung des Buchdrucks erreicht dieser Vorgang einen vorläufigen Höhepunkt, McLuhan nennt daher diese Epoche auch das Gutenberg-Zeitalter. Der Druck mit beweglichen Lettern begründet die Merkmale der Stetigkeit, Gleichförmigkeit und Wiederholbarkeit, die die Voraussetzungen für die Industrialisierung der westlichen Welt sind. Das Buch als erstes Massenprodukt der Geschichte fördert durch die Fixierung von Sprachen und Sprachgrenzen das Entstehen des Nationalismus, durch eine allgemeine Alphabetisierung werden Wissensmonopole (z. B. der Priester) gebrochen, und es führt (da Lesen und Schreiben überwiegend als Handlungen einzelner Individuen geschehen) zur Ausbildung des Individualismus.
    Die Nutzung der Elektrizität für kommunikative Zwecke stellt in dieser Theorie die vorläufig letzte Stufe dar: das elektronische Zeitalter. Schon das Radio erlaubt es, jede Information über jede Entfernung zu transportieren. Ereignisse, die sich an jedem beliebigen Ort der Welt zutragen, können dem Hörer praktisch ohne Zeitverzug mitgeteilt werden. Die Geschwindigkeit der elektronischen Medien läßt die Welt wieder zu einem Dorf, dem globalen Dorf, schrumpfen. Hinzu kommt, daß das Radio sich vor allem des auditiven Kanals bedient, der auch im voralphabetischen Zeitalter schon der dominante Kanal war. Die gegenwärtig letzte Stufe in dieser Entwicklung stelle das Fernsehen dar. Seine Allgegenwart sowie die Ergänzung des auditiven durch den visuellen Kanal verstärkt die Entwicklung zum globalen Dorf und hebt die »Linearisierung des Denkens« wieder auf. Die Welt aus dem Farbfernseher zu erfahren bedeutet, eine ähnliche Weltsicht zu gewinnen wie in der vorschriftlichen Kultur: unmittelbar, ganzheitlich, über Auge und Ohr vermittelt. Soweit McLuhan.
    Ergänzend muß man allerdings auch erwähnen, daß er der erste Medienwissenschaftler war, der die Medien für seine persönlichen Zwecke einzuspannen wußte: »Plötzlich bin ich ein Bestseller-Lieblingskind des College-Volkes‹, vertraute Marshall McLuhan 1965 leicht verschreckt einem Freund an. Und dann, schon geschäftstüchtiger: ›Ich muß noch mehr herausschlagen, solange diese Stimmung vorhält‹« (Holert, 1991, S. 54). Mit Hilfe von zwei PR-Experten wurden Vortragsreisen organisiert, Abendessen in Nobelrestaurants angeboten und ein »McLuhan-Festival« in San Francisco aus der Taufe gehoben. Journalisten, Werbeleute, Fernsehfunktionäre gaben sich bei McLuhan die Klinke in die Hand. Der Fernsehsender NBC produziert ein McLuhan-Feature, CBS eine Sprechplatte. Schließlich zieht auch die wissenschaftliche Welt nach: Neben anderen Angeboten wird ihm von der Fordham-University der mit 100.000 Dollar jährlich dotierte Albert-Schweitzer-Lehrstuhl für Humanwissenschaften angeboten, die Universität von Toronto richtete ihm ein eigenes Forschungsinstitut ein.
    Wie so viele Medienstars hat er den Tiger nicht wirklich beherrscht, den er reiten wollte: »Je mehr Marshall McLuhan in den sechziger Jahren gefragt war, desto weniger Zeit konnte er für die Arbeit an seinen Texten erübrigen. Seine eruptiven Einfälle und skizzenhaften Gedanken diktierte er Mary Stewart, der treuen Sekretärin. Die ging dann daran, die verschlungenen Satzgebilde auf ihrem Stenoblock zu entwirren. Denn es war eine Spezialität des Professors, den Faden zu verlieren. Regelmäßig fransten seine Gedanken zu losen Enden auf.« (Holert, a.a.O., S. 60). So verwundert es nicht, daß »Kanadas intellektueller Komet« Anfang der 70er Jahre verglühte. Er projektierte zwar

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