von ihr Hinweisreize für eine Fokussierung der Aufmerksamkeit ausgingen. So wurde vor dem Start der Sendung in aufwendigen Experimenten untersucht, mit welchen akustischen und visuellen Gestaltungsmerkmalen die Aufmerksamkeit des Kindes immer wieder gewonnen werden konnte. Es fanden sich akustische Darstellungsmittel wie lebhafte Musik, Toneffekte, Kinderstimmen, ungewöhnliche Stimmen, nichtsprachliche Stimmäußerungen und häufige Sprecherwechsel. Ferner wirkten visuelle Darstellungsformen wie Spezialeffekte, Szenen-, Figuren- oder Themenwechsel und Inhalte wie physische Aktivität und Aktionen, Humor sowie attraktive und vertraute Akteure auf dem Bildschirm. Die Aufmerksamkeit der Kinder ging hingegen verloren, wenn Dialoge von Erwachsenen (besonders von Männern), konventionell visuelle Darstellungsformen wie Schnitte, Zoom-Fahrten und Schwenks und lange, komplizierte Reden gezeigt wurden.
Allerdings verändert sich mit zunehmendem Lebensalter und wachsender Fernseherfahrung die Bedeutung dieser formalen Merkmale: Was für ein kleines Kind noch neu und aufregend ist, interessiert einen 16jährigen Vielseher kaum noch. Statt dessen werden inhaltliche Aspekte wichtiger, um die aktive Aufmerksamkeit des Zuschauers zu stimulieren. Dabei ist die Einstellung des Zuschauers von zentraler Bedeutung (Salomon, 1988): Schulkinder und Studenten halten das Fernsehen für ein leicht verständliches Medium, bei dessen Rezeption sie nur wenig mentale Anstrengungen zu investieren haben (= Amount of invested mental effort). Wenig mentale Anstrengung bewirkt, daß die Zuschauer aus TV-Sendungen auch weniger lernten als aus Printmedien. Diese Haltung variiert jedoch auch mit spezifischen Sendungstypen (z. B. Nachrichten) oder Seherhaltungen: Wer sich wegen einer speziellen Sendung oder einer entsprechenden Anweisung beim Fernsehen mental angestrengt hatte, behielt auch mehr.
Oberflächliche Informationsverarbeitung und Reizüberflutung, das waren die befürchteten mentalen Auswirkungen häufigen TV-Konsums. Was ist nunmehr dazu zu sagen? Ja, das TV stellt eine große, gelegentlich übergroße Menge an Informationen zur Verfügung, die der Zuschauer nicht alle gleichzeitig und intensiv mental verarbeiten kann. Er hat sich aber im Verlaufe seiner TV-Sozialisation daran gewöhnt und entsprechende Strategien ausgebildet. Weil das Fernsehen mit seiner zunehmenden Unterhaltungsorientierung sowieso als ein leichtes Medium angesehen wird, muß er sich auch nicht anstrengen, vielmehr kann er den Lichtkegel seiner Aufmerksamkeit weit, wenn das Fernsehen nebenbei genutzt wird, sogar sehr weit stellen. Nur gelegentlich, wenn es ganz spannend oder wichtig wird, muß er auf die Spotlight-Funktion zurückgreifen. Individuelle Reizüberflutung findet also nicht statt, besonders der jugendliche Zuschauer, inzwischen an Informationslärm gewöhnt, ertrinkt nicht in Informationen, er ignoriert sie vielmehr.
Das gelingt ihm aber nur durch oberflächliche Informationsverarbeitung. Multitasking heißt diese Fähigkeit zur parallelen, aber oberflächlichen Verarbeitung mehrerer Informationsquellen.
Aber genau dies will das Fernsehen, wie bei der Sesamstraße gesehen, ja nun gerade nicht. Die seinerzeit für das lobenswerte Motiv der Beseitigung von Bildungsunterschieden ermittelten TV-Merkmale sind inzwischen mediales Allgemeingut geworden, jeder Werbespot, jeder Videoclip und fast jeder Nachrichtenbeitrag arbeitet inzwischen mit den entsprechenden aufmerksamkeits-generierenden Mitteln. Da sich der Mensch aber auch daran gewöhnt, setzt sich eine mediale Reiz-Reaktionsspirale in Gang: Die formalen und inhaltlichen Sendungsmerkmale werden immer schriller, die mentale Informationsverarbeitung wird immer oberflächlicher, die Sendungsmerkmale werden noch schriller, die Informationsverarbeitung noch oberflächlicher – und so fort.
Ein heute fast rührendes Beispiel für diesen Prozeß gibt der amerikanische Psychiater Glynn: »Anfang der 40er Jahre hat ein Radioprogramm mit dem Titel Take It Or Leave It nationales Interesse und große Aufregung ausgelöst, dessen Höhepunkt die 64-Dollar-Frage war. In diesem Jahr (1955) war der größte Erfolg des Fernsehens die 64.000-Dollar-Frage. Rechnen Sie die Inflationsrate der letzten zehn Jahr heraus. Was dann übrigbleibt, ist eine anschauliche Zahl dazu, was die Aufregung des Zuschauers heute kostet« (vgl. Elliott, 1956, S. 181, eigene Übersetzung). Genau dies ist der zentrale Aspekt des »cultivation of
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