mental skills« – die Kultivierung der mentalen Oberflächlichkeit.
Dieser Vorgang ist zunächst für das Fernsehen selbst relevant, betrifft es doch zuerst einmal dessen Bemühungen um die Vermittlung politischer Informationen in seinen Nachrichten- und Informationssendungen. Zumindest in Deutschland ist ja die Vermittlung von objektiven Informationen, die den Zuschauern zu einem unabhängigen Meinungsbild und zur Teilnahme am politischen Leben verhelfen sollen, eine gesetzlich festgeschriebene Aufgabe öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten. Damit dies geschehen kann, muß der Zuschauer aus der Fülle des ihm in den Nachrichten präsentierten Materials die für ihn relevanten Nachrichten selektieren (= selective scanning). Ferner muß er die herausgefilterten Informationen aktiv und intensiv auf ihren Nutzen für ihn prüfen (= active processing) und die Informationen vor dem Hintergrund seines individuellen Wissens und seiner individuellen Interessen auch noch reflektieren (= reflective Integration; vgl. McLeod et al., 1994).
Wenn er das Medium Fernsehen insgesamt für ein leichtes Medium hält und wenn sich die Informationssendungen zunehmend unterhaltungsorientiert darstellen, dann laufen diese Prozesse einer gründlichen mentalen Informationsverarbeitung nicht mehr ab. Und tatsächlich: Befragt man Zuschauer danach, was sie von den Nachrichtensendungen behalten haben, so halten sie sich zwar im allgemeinen für recht gut informiert. Tatsächlich aber können sie sich in Befragungen durchschnittlich an nur 20% der Nachrichten erinnern. Und fragt man über das Behalten hinaus auch noch nach dem Verstehen, so haben höchstens bis zu der Hälfte der Zuschauer die zentralen Teile der Nachrichten auch richtig verstanden. Elisabeth Noelle-Neumann (1986) hat dies zutreffend als Wissensillusion bezeichnet.
Übrigens wurde unter dem Eindruck solcher Befunde in der Medienforschung lange Zeit nach formalen Gestaltungsmerkmalen gesucht, die zu besseren Behaltenswerten führen sollten (vgl. dazu etwa Brosius, 1995). So konnte zwar nachgewiesen werden, daß beispielsweise umgangssprachlich und einfach formulierte Texte, inhaltlich passendes und nicht zu emotionales Bildmaterial (»cause-and-effect«-Bilder), die Verwendung von Tabellen und Kurven, der Einsatz von Überschriften und Zusammenfassungen und ein moderates Darbietungstempo zu besseren Behaltensleistungen führten. Allerdings waren die Effekte nie sonderlich hoch, sie führten zu einer Verbesserung der Behaltensleistung in Höhe von fünf bis zehn Prozent.
Das kann nun auch nicht mehr verwundern, denn Zuschauer von TV-Nachrichten wollen gar nicht informiert, sondern vor allem unterhalten werden. Nach amerikanischen Studien (vgl. Winterhoff-Spurk, 2004) sehen zwischen 40% und 50% der Zuschauer Nachrichten aus völlig anderen Motiven: Sie finden sie unterhaltsam, bequem, entspannend und sogar billiger als andere Aktivitäten. Auch geben sie an, daß die Nachrichten kaum etwas mit ihrem persönlichen Leben zu tun hätten. Vielmehr wollen sie einen bestimmten Sprecher oder eine bestimmte Sprecherin gern wiedersehen, sie suchen Zeitvertreib und Zerstreuung, sehen Nachrichten aus Gewohnheit, wollen sich über schlechte Nachrichten aufregen, ihre Urteile und Vorurteile bestätigt sehen – und ähnliche, unterhaltungs-orientierte Motive mehr. Ja, schlechte Nachrichten werden sogar lieber als gute gesehen. Wer sich also mit Hilfe von Nachrichten aufregen oder entspannen, unterhalten oder zerstreuen will, muß gar nicht selektieren, prüfen und reflektieren. Und selbst wenn er es wollte, behindern zunehmend gewalthaltige, dramatische Nachrichten die mentale Verarbeitung der Meldungen, die Dramatisierung von Nachrichten führt zu einer Simplifizierung der Gedanken über einen berichteten Sachverhalt (vgl. Newshagen & Reeves, 1992).
Dies alles gilt aber nicht für alle Zuschauer. Unter bestimmten Bedingungen können sie sehr wohl etwas aus TV-Sendungen lernen. Nachrichten beispielsweise werden besser von intelligenteren, formal besser gebildeten, politisch interessierten Zuschauern behalten, die das TV als Infoquelle ernstnehmen, hohes Themeninteresse und hohes Vorwissen zum Thema haben, die die Sendung mit großer Aufmerksamkeit verfolgen und über das Gesehene anschließend sprechen oder nachdenken. Dann können Behaltenswerte von bis zu 90% erzielt werden. Allerdings reagieren gerade diese Zuschauer auf Gewaltdarstellungen besonders intensiv. Man kann vermuten, daß
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