noch zahlreiche Bücher, schrieb einige Texte, hielt Vorträge und korrespondierte mit den Großen dieser Welt, aber die Zeit der großen Resonanz war vorüber. 1979 erlitt er einen schweren Schlaganfall, der sein Sprachzentrum weitgehend zerstörte; in der Silvesternacht 1980/81 starb er.
Aber auch wenn er sich selbst als »intellektuellen Gangster« bezeichnet hat (Holert, 1991) und auch wenn die Medien ihn zu einem Prominenten gemacht haben, kann ja doch an seinen Überlegungen vieles stimmen. Die Befunde aus der »cultivation of mental skills«-Forschung weisen in diese Richtung. Und wenn man sich nicht gleich der gewaltigen These McLuhans anschließen will, das Fernsehen hebe allgemein die Linearisierung des Denkens auf, so kann man ja bescheidener fragen, ob es wenigstens einzelne allgemeine Aspekte des Denkens prägt. Diskutiert werden dazu häufig zwei Befürchtungen: Das hohe Tempo der Informationsdarbietung im Medium führe zu einer oberflächlicheren Informationsverarbeitung, die Informationsfülle zu Reizüberflutung. »Wir informieren uns zu Tode«, hat Postman (1992) dazu in einem Interview gesagt. Ist das wirklich so?
Die Frage wird in der Kognitionspsychologie unter dem Stichwort der Aufmerksamkeitslenkung behandelt: Menschen können ihre begrenzten kognitiven Ressourcen nach den jeweiligen Anforderungen flexibel einsetzen. Ist eine Aufgabe schwierig, so wird dafür der größte Teil der Verarbeitungskapazitäten gebraucht. Für die simultane Ausführung anderer Aufgaben bleibt dann nur wenig Kapazität übrig. Für die Verarbeitung visueller Informationen wurde zur Verdeutlichung dieses Vorgangs die Metapher vom »Spotlight« verwendet: Ohne besondere Anforderungen ist die Aufmerksamkeit relativ weit eingestellt, erfaßt sie einen großen Bereich der Umgebung. Die außerhalb des Lichts liegenden Reize werden nicht, die innerhalb nur schwach beleuchtet. Erst durch besondere Merkmale des Gesehenen oder aufgrund innerer Motive konzentriert sich das Licht auf einen schmalen Bereich, der dann aber intensiv ausgeleuchtet wird.
Genau diese Fähigkeit ermöglicht dem Menschen auch den Umgang mit großen Informationsmengen: So kann er bereits nach einer oberflächlichen Verarbeitung entscheiden, für bestimmte Aufgaben überhaupt keine kognitiven Ressourcen zur Verfügung zu stellen (= aktives Vermeiden) oder sich nur auf bestimmte Informationen zu konzentrieren (= selektive Aufmerksamkeitszuwendung). Er kann ferner detailreiche Informationen zu größeren Einheiten – sogenannten Schemata, Skripten, Prototypen oder Stereotype – zusammenfassen, deren erneute Identifizierung und Bearbeitung weitgehend automatisiert wird. Dadurch werden weniger kognitive Ressourcen beansprucht. Erst wenn alle diese Mechanismen nicht mehr greifen (also etwa bei sehr vielen, neuen, intensiven Informationen) und wenn zugleich die entsprechende Reizumwelt nicht ohne weiteres verlassen werden kann, erst dann entsteht Informationsstreß. Er kann – wie jede andere Art von Streß auch – im Extremfall auch den Zusammenbruch der Informationsverarbeitungskapazität auslösen.
Beim Fernsehen werden diese Prozesse gern mit Untersuchungen zum Blickverhalten von Zuschauern erforscht. Es sind vor allem Neuartigkeit oder Komplexität, Reizgröße und -intensität, Bewegung, Farbigkeit, Kontrast zur Umgebung, eine Position an bevorzugter Stelle des Gesichtsfeldes (z.B. links oben) oder Reize mit Signalfunktionen, die den Blick auf sich ziehen. Das Blickverhalten folgt aber auch den Einstellungen, Erwartungen und Befindlichkeiten des Wahrnehmenden selbst. Hier wirken visuelle Schemata der Zuschauer. Die Erwartungen über einen »typischen« Staatsbesuch, eine »typische« Konferenz, eine »typische« Begrüßung auf einem Flughafen leiten die Aufmerksamkeit und erleichtern das Wiedererkennen.
Empirische Studien zum »Spotlighting« beim Fernsehen wurden vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung der Sendung Sesamstraße durchgeführt. Die vom »Children's Television Workshop« 1968 erstmals produzierte Sendung hatte das Ziel, das Fernsehen zum Abbau von Bildungsdefiziten bei benachteiligten sozialen Gruppen zu nutzen. Als ein grundlegendes Problem stellte sich dabei heraus, daß die Kinder der Zielgruppe nur selten ungestört und konzentriert fernsehen können. Sie leben in familiären Umwelten, in denen immer viel los ist, in denen folglich die Aufmerksamkeit immer weit gestellt ist. Es galt also die Sendung so zu gestalten, daß
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