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Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Pan
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»psychotisch« und »wahnhaft« (Krause, 1998, S. 220). Optimale Abwehrmechanismen sind etwa Humor, Altruismus oder Selbstbehauptung, sie entlasten das Individuum, und sie können gleichzeitig zu einer Veränderung der belastenden Situation beitragen. Leugnung, Verzerrung und wahnhafte Projektion hingegen zeigen ein Zusammenbrechen der Abwehrregulation an, in diesem Fall verzieht sich der Mensch dauerhaft in eine selbstgebaute, jedoch für ihn erträgliche Welt.
    Fernsehen ist in diesem Sinne multifunktional, es kann für leichte Verzerrungen des Alltags und der darin handelnden Personen ebenso dienen wie für wahnhafte Projektionen. Zweifellos ist es gelegentlich nützlich, sich in oder nach Belastungssituationen mit Hilfe des Fernsehens auf andere Gefühle und Gedanken zu bringen, wenn man sich anschließend – so gestärkt – den Ursachen der Belastungen wieder zuwendet. Aber zugleich ist es mit seinem Angebot der oralen Regression auch ein verführerisches Medium: Wer will nicht gern eine Zeitlang wieder Kind sein? Entsprechend verordnet man sich leicht eine zu große Dosis – mit den zugehörigen Nebenwirkungen. Viele Menschen spüren dies, wenn sie nach einem langen Fernsehabend ein leichtes Schuldgefühl haben. Besonders gilt dies für Angehörige der sozialen Mittelschicht und hier wiederum vor allem für die Akademiker (Kubey & Csikszentmihaly, 1990). Ihnen dämmert womöglich früher als anderen, daß das Fernsehen als Mittel der Regression gewissermaßen nur vorübergehend und schmerzlindernd eingesetzt werden darf. Zu lange genutzt und zu hoch dosiert, dämpft es die Autonomie- und Kontrollbedürfnisse des (gebildeten) Individuums und führt zu tief in die Richtung pathologischer Abwehrmechanismen.
    Neben der Gefahr der chronifizierten medialen Regression kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, der das Medium zu einem süßen Gift macht: die parasozialen Bindungen. Nochmal zur Erinnerung: Zu den Medienfiguren entwickeln sich scheinbar persönliche Beziehungen, sie werden zwischen sehr guten Freunden und guten Bekannten eingeordnet. Diese Beziehungen bieten dem Zuschauer eine verläßliche und dauerhafte Bindung, sie werden auch – und das ist das eigentliche Problem – zum Mittel der Identitätskonstruktion. Wenn die Eltern, die Verwandten, Lehrer oder Trainer als Vorbilder nicht mehr taugen, bieten sich die Medienfiguren als Ersatz geradezu an: Es ist ja nicht nur ihre verläßliche Verfügbarkeit, sondern ihr sichtbarer Erfolg, der sie für diese Funktion so nützlich macht.
    Wie dies im einzelnen funktioniert, zeigt eine Studie, bei der 22 Jugendliche und ihr Medienkonsum über sechs Jahre hin begleitet wurden. Danach suchten Jugendliche in ihren Lieblingsfilmen vor allem nach Vorbildern für ihr eigenes Verhalten und nach Geschichten, in denen es um die Verläßlichkeit von Beziehungen geht (Barthelemes, 2001, S. 86): »So waren in den befragten Familien die Väter aus beruflichen Gründen häufig abwesend, ein Drittel der Mütter war allein erziehend, und es gab auch Adoptiv- oder Stiefeltern. Offenbar bewirkten die Abwesenheit der Väter sowie Erfahrungen mit Trennung und/ oder Scheidung der Eltern einen starken Wunsch nach Nähe und emotionaler Sicherheit. Der abwesende Vater ist aber um so präsenter in den Bildern, die die Jugendlichen sich machen. Was unbekannt ist, wie beispielsweise die männliche Art und Weise mit Menschen, Situationen und Dingen umzugehen, schürt Zweifel, macht Angst, und aus dieser Angst heraus suchen die Jugendlichen in den Filmen und Serien nach den verschiedenen Bildern des Männlichen: von Rambo, Terminator, Indiana Jones bis hin zu Schindlers Liste, Der mit dem Wolf tanzt oder Star Wars. Die beteiligten Mädchen setzten sich beispielsweise mit der Frage auseinander, welches Bild sie von sich selbst als Frau haben und welche Eigenschaften und Merkmale sie bei ihren Lieblingsstars schätzen und bewundern, aber auch, welches Verhalten und welches Aussehen sie an den weiblichen Stars überhaupt nicht mögen. Dabei stehen bei ihnen Gefühle des Mangels und des Unfertigen im Kampf mit Gefühlen der Euphorie und des Übermuts. Sie fragen, warum diese Stars so anziehend sind. Dabei geht es nicht um kritiklose Nachahmung der Frauenbilder, sondern um die Suche nach dem eigenen Geschmack und der eigenen Person bzw. Persönlichkeit. Einige der befragten Mädchen sehen beispielsweise bis zu zwanzig Mal Filme wie Dirty Dancing, Pretty Woman, Grüne Tomaten oder Der Feind in

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