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Titel: Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Pan
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meinem Bett und setzen sich dabei mit den unterschiedlichsten Frauenbildern auseinander, indem sie immer wieder ihre Gedanken, Empfindungen, Gefühle und Einschätzungen ausloten.«
    Ähnliche Befunde zeigen sich in einer Befragung von Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 19 Jahren, bei der es um die Motive des Ansehens von täglichen Serien ging (Götz, 2000). Die Jugendlichen nutzen die Serien, um sich mit den Problemen ihrer Pubertät auseinanderzusetzen, am Beispiel der Akteure entwickeln sie Idealvorstellungen und stilistische Modelle für ihr eigenes Verhalten. Sie schwärmen für die Stars und wollen so sein wie sie: attraktiv, selbstbewußt und gelegentlich mit Problemen konfrontiert.
    Und dies alles trifft nun auf einen psycho-sozialen Nährboden, den wir oben so beschrieben hatten: Histrionische Charaktere entstehen in familiären Kontexten, die durch längere Bindungsunsicherheit und mangelnde mütterliche Zuneigung, geringe Impulskontrolle, ausweichendes Verhalten und theatralische Inszenierungen gekennzeichnet sind. Bindungsunsicherheit und mangelnde mütterliche Zuneigung sind es aber nicht alleine, die den Histrio entstehen lassen. Entscheidend ist, daß die potentiell histrionischen Charaktere Tag für Tag im Fernsehen vorgeführt bekommen, wie Menschen Aufmerksamkeit und Zuwendung, aber auch finanzielle und sexuelle Erfolge erzielen. Ob herausragende Stars oder nur »Celebrities« der zweiten Reihe – sie alle werden als Modelle für die Hoffnungen, Wünsche und Träume ihrer Bewunderer genutzt.
    Und eben dadurch beschleunigt sich der Prozeß der Bildung eines histrionischen Sozialcharakters weiter, denn was für Charaktere sind es, die dem Zuschauer als Modelle dienen? Zur Beantwortung sei noch einmal an Marlene Dietrich und Leni Riefenstahl erinnert. Bei beiden lag die Diagnose eines ausgeprägten histrionischen Charakters sehr nahe, an ihnen sollte ja exemplarisch verdeutlicht werden, daß sich vor allem histrionische Charaktere in den Medien tummeln. Allerdings: Ob sie und/oder andere Filmstars wirklich Histrios waren oder nicht, war schon damals letztlich sekundär. Wichtig war, daß sie entsprechend wirkten, wie man an der Veränderung von Marlene Dietrich durch ihre Filmgesellschaft Paramount sehen konnte. Aber natürlich fällt das Mittun bei solchen Inszenierungsstrategien Menschen leichter, die schon von sich aus mit Vergnügen im Mittelpunkt stehen, zu theatralischem Verhalten neigen, eine oberflächliche Affektivität aufweisen, gern verführerisch auftreten und ein großes Interesse an körperlicher Attraktivität haben – also histrionische Charaktere sind. Der Histrio ist der geborene Schauspieler, und der erfolgreiche Schauspieler ist (vermutlich) immer auch ein Histrio. Jemand, der sich selbst für unbeholfen, unattraktiv, minderwertig hält, der voller Sorge ist, in sozialen Situationen den Erwartungen anderer Menschen nicht gerecht zu werden, ständig besorgt und angespannt ist – also ein selbstunsicherer, ängstlicher Charakter (Fiedler, 1997) -, wird kaum einmal mediale Prominenz suchen oder erreichen.
    Die histrionischen Charaktere sind es, die vom Zuschauer als Modelle der celebritiy identification gewählt werden, zu denen er parasoziale Bindungen entwickelt, denen er gleichen will. So erklärt sich auch der weitverbreitete Wunsch nach einem eigenen Auftritt in Talk-Shows und anderen »Real-Life«-Formaten: Rund 20.000 Personen jährlich – die Bevölkerung einer Mittelstadt – nutzen diese Möglichkeit in den diversen Sendungen dieses Genres. Natürlich genießen alle für eine Weile die Vorstellung eigener Prominenz. Aber auch das ist nur ein Surrogat, denn nach ihrem Auftritt fallen sie schnell wieder in jene unbedeutende Anonymität zurück, aus der sie gekommen sind. Das Fatale daran ist jedoch die Wirkung der Auftritte bei den anderen: Die 20.000 Underdogs auf dem Bildschirm vermitteln den Millionen Underdogs vor dem Bildschirm den Eindruck, auch sie selbst könnten wenigstens für eine halbe Stunde berühmt sein, wenn sie sich nur bizarr, schrill und auffällig genug inszenierten. Und so beschleunigt sich der Prozeß der Bildung des histrionischen Sozialcharakters noch einmal: Was die können, kann ich auch. Besonders problematisch sind in diesem Zusammenhang Sendungen wie die Mini-Playback-Show, weil sie schon bei Kindern den verführerischen Traum von Zuwendung und Beachtung durch entsprechende mediale Inszenierungen wecken. Aber auch andere Sendungen mit

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