denen Heranwachsende im Alter von 10 bis 14 Jahren um so eher damit anfangen, je mehr Filme mit rauchenden Stars sie gesehen haben (Dalton et al., 2003). Die amerikanische Zigarettenindustrie macht sich dies zunutze, indem sie für entsprechendes »product placement« sorgt. In etwa einem Viertel aller fiktionalen Programme der Hauptsendezeit wird geraucht – und zwar in mehr als 90% der Fälle von den positiven Figuren (Basil, 1997). Raucher waren romantischer und erotisch aktiver als Nichtraucher, Rauchen wirkt männlich, rebellisch und/oder erotisch: So wollen die Zuschauer auch sein (Mclntosh etal., 1998).
Wenn also überall in der Welt Heranwachsende ihre Vorbilder zunehmend in den Medien finden, dann muß sich der damit verbundene identifikatorische Prozeß, die »celebrity identification«, notwendigerweise auch im Verhalten zeigen. Das Lernen am Modell führt und verführt vor allem Kinder und Jugendliche dazu, es ihren medialen Vorbildern gleich tun zu wollen. Der Histrio mit seinem schwachen Selbst ist leicht beeinflußbar durch andere Personen und Umstände. Und besonders der Jugendliche sucht solche Modellpersonen, mit denen er sich identifizieren kann. Über die Untersuchungen zum aggressiven Verhalten, zu Körperbildern und Schönheitsidealen wie schließlich zum Rauchen führt die Argumentation wieder zurück zum Fan: Jetzt wundert es nicht mehr, daß 75% der 12- bis 14jährigen so sein wollen wie Schauspieler, Sportler oder Musiker.
12. »Couch potatoes« – Die Prägung des histrionischen Charakters
»Couch potatoes« – so nennen sich Amerikaner, deren Traum vom Paradies aus einem bequemen Fernsehsessel, einer Fernbedienung, einer großen Portion Popcorn, sodann Hamburgern mit einer Tüte Pommes frites dazu, Soft Drinks oder Bier, abgedunkeltem Licht und einer Kuscheldecke besteht. So versorgt, verbringen sie Stunden nahezu bewegungslos vor dem Bildschirm und ahnen nicht, wie gefährlich dieses beschauliche Leben ist: Sie werden fett, und sie werden krank.
Dabei leben wir schon in einer Gesellschaft der Dicken. In den USA haben beispielsweise fast zwei Drittel der Menschen Übergewicht, 30% leiden unter Fettleibigkeit, weitere 5% unter schwerer Fettleibigkeit (Flegal et al., 2002). In Deutschland sind gegenwärtig 15 Millionen Menschen – 19% der Frauen und 17% der Männer – fettleibig (Gerber, 2003). Und alle Werte haben eine steigende Tendenz.
Mag sein, aber was soll das hier? Das Erschreckende an diesen Daten ist, daß die Entwicklung von immer mehr Menschen zu immer mehr Körpergewicht mit dem TV-Konsum zusammenhängt. Untersucht man nämlich die tägliche TV-Nutzungszeit und das Körpergewicht von (amerikanischen) Fernsehzuschauern, so findet sich die folgende Gesetzmäßigkeit: Eingeteilt in Zwei-Stunden-Intervalle steigt das Risiko der Fettleibigkeit bei Frauen um je 23% pro Intervall (Hu et al., 2003). Auch bei Jugendlichen hängt Übergewicht mit dem TV-Konsum zusammen. Wer täglich mehr als fünf Stunden fernsieht, hat eine 4,6fach höhere Wahrscheinlichkeit von Übergewicht gegenüber einem Altersgenossen, der nur bis zu zwei Stunden täglich
zuschaut. Bei einer durchschnittlichen täglichen Nutzungszeit von etwa viereinhalb Stunden in den USA ist dieser Wert schnell erreicht.
Ähnliche Tendenzen finden sich übrigens auch anderswo, nämlich in Australien (Cameron et al., 2003) und in Thailand, wie eine vermutlich eher selten (und auch vom Autor nie wieder) zitierte Arbeit von Ruangdaraganon et al. (2002) zeigt. Natürlich macht Fernsehen selbst nicht dick, es ist aber der Auslöser für Bewegungsmangel und Kalorienzufuhr, die sich zunächst auf den Hüften, später überall zeigt.
Wenn es denn nur das wäre, aber es bleibt ja nicht bei der bloßen Fettleibigkeit. Mit dem TV-Konsum steigt auch das Risiko, eine Typ II-Diabetes zu bekommen. Diese Diabetesvariante wird durch langjährige Fehlernährung, Fettleibigkeit und Bewegungsmangel ausgelöst. Auch dazu gibt es erschreckende Zahlen: Rund 17 Millionen Amerikaner sollen gegenwärtig daran erkrankt sein, weitere rund 16 Millionen haben bereits eine Vorform. Das sind zusammen fast 12% der amerikanischen Bevölkerung. Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden bald über ein Drittel der amerikanischen Jungen und Mädchen im Laufe ihres Lebens an Diabetes erkranken (Brody, 2003). In Deutschland sind die Zahlen glücklicherweise nicht ganz so dramatisch, hier sollen nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts (1998)
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