beschränkt. Und tatsächlich: Wie bereits dargelegt, verringert ein erhöhtes Darbietungstempo emotionsauslösender TV-Inhalte intensivere emotionale und besonders empathische Reaktionen von Zuschauern. Es bleibt tatsächlich nicht genug Zeit für eine vollständige emotionale Reaktion, und es kommt zu Konfundierungen zwischen verschiedenen Emotionen. Auf diese Weise löst das Fernsehen beim Zuschauer immer und immer wieder kurze Aktivierungen und allenfalls oberflächliche Gefühle aus.
Manchmal hat es das Medium allerdings leicht, dann nämlich, wenn in der Realität Dinge geschehen, die per se Emotionen auslösen. Das ist beispielsweise der Fall bei spektakulären Unglücksfällen (wie etwa dem tödlichen Unfall von Lady Di), bei Beginn von Kriegshandlungen (wie etwa dem Krieg im Irak) oder bei Terroranschlägen (wie etwa dem Anschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center), bei sportlichen Großereignissen (etwa dem Finale einer Fußballweltmeisterschaft), bei besonderen politischen Begebenheiten (wie etwa der Maueröffnung im November 1989) oder einem besonderen Datum (wie etwa dem Beginn eines neuen Jahrtausends zu Silvester 1999). Bei derartigen Geschehnissen braucht es seine Kameras eigentlich nur aufzustellen, die Bilder bieten sich gewissermaßen von selbst an. Aber natürlich verzichtet das Medium auch und gerade hier nicht auf seine gewohnten Mittel; die Berichterstattung über den Anschlag vom 11. September 2001 war dafür geradezu ein Schulbeispiel. Die damals gezeigten Bilder waren voll von emotionsgenerierenden dramaturgischen Mitteln, wie Amateuraufnahmen, Nahaufnahmen, Zeitlupen, Wiederholungen, Interviews mit Angehörigen und dergleichen mehr. Allein die Aufnahmen vom Einschlagen der beiden Flugzeuge – medial gesehen, sicherlich der Höhepunkt der furchtbaren Ereignisse – wurden immer und immer wieder gezeigt.
Deutlich wurde dies auch bei der Fußballweltmeisterschaft 2002. Wie wohl nie zuvor in der Geschichte einer WM führten bereits mittelmäßige Spiele in der frühen Phase des Turniers weltweit zu überbordenden emotionalen Reaktionen insbesondere junger und zunehmend auch weiblicher Zuschauer. Fast jeder Sieg irgendeiner Nationalmannschaft führte im betroffenen Land zu Autokorsi und Freudentänzen.
In solchen Momenten zeigt sich allerdings auch, daß das Fernsehen durchaus die Macht hat, emotionales Verhalten auch außerhalb der Rezeptionssituation auszulösen. Verantwortlich dafür ist der oben schon erwähnte Effekt des »excitation transfer«, der sich in medienpsychologischen Laboruntersuchungen als vergleichsweise harmloses Aufsummieren von Aktivierung und Intensivieren beliebiger Emotionen und entsprechender Aktivitäten nach der TV-Rezeption gezeigt hat. Dieser Effekt – so ist zu vermuten – trifft den histrionischen Charakter besonders intensiv, ist er doch durch Suggestibilität, Übererregbarkeit, emotionale Labilität und vor allem aber durch theatralisches Verhalten gekennzeichnet. Jetzt kann er seiner hoch erregten Emotionalität freien Lauf lassen, sich gemeinsam mit anderen der Affektansteckung hingeben und dies alles vor seinesgleichen, einem mitagierenden Publikum, mit Genuß ausagieren. Und damit hat es dann oft auch sein Bewenden. Temporäre emotionale Gesten, flüchtige Betroffenheitsrituale, immediates Spenden, ja, das schon, aber die langfristige, distanzierte, reflektierende Analyse des Geschehens ist nicht Sache des Histrio. Man muß Sorge um die politischen Gefahren haben, die in diesem Mechanismus stecken.
Allerdings hat die zunehmende Emotionalisierung des Mediums eine fatale Nebenwirkung: Der Zuschauer gewöhnt sich daran. Was ihn heute noch aufregt, ist ihm morgen schon langweilig. Insbesondere bei fiktiven und realen Gewaltdarstellungen kann man diesen Habitualisierungseffekt beobachten. Ein Mord in einem Krimi von Francis Durbridge aus den 60er Jahren ist heute allenfalls noch erheiternde Kuriosität. Inzwischen geht es in jeder Vorabendserie dramatischer zu. Das gleiche gilt etwa für Kriegsbilder: Wer regt sich heute noch über Bilder von Leichen oder Verwundeten auf? Wenn das Fernsehen also die an Ablenkung und oberflächlicher Emotionalität interessierten Zuschauer nicht verlieren will, muß es immer neue, oft härtere Kost bieten. So setzt es sich in allen seinen Genres dauerhaft unter Zugzwang: Der emotionsgenerierende, mediale Tabubruch wird zum inhärenten Mechanismus des Affektfernsehens, da kommen spektakuläre, reale
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