0001 - Das Schloß der Dämonen
spürte, daß er zitterte, daß ihn immer noch das Entsetzen schüttelte, und er brauchte eine Weile, um zu begreifen, daß die Gefahr vorbei war. Fast vorbei!
Denn einer der Dämonen hatte sich in sein unsichtbares Reich geflüchtet. Aber er, Zamorra, hatte gesiegt. Das silberne Amulett hatte ihm die Macht gegeben, die Dämonen zu vernichten. Und mit seiner Hilfe würde er es auch schaffen, endgültig ein Ende zu machen. Er biß sich auf die Lippen.
Mechanisch griff er nach der Taschenlampe an seinem Gürtel, ließ sie aufflammen. Der Lichtkegel stach wie ein Finger in die Finsternis, geisterte in die Runde, und Zamorra begann, systematisch den Raum abzuleuchten. Kahle Mauern, nackter Steinfußboden. Es gab keinen weiteren Ausgang, keine Türen, kein Mobiliar - nichts. Staub bedeckte den Boden, die uralten Bruchsteinquader glänzten feucht.
Zamorra hatte das Gefühl, sich in einer gigantischen Grabkammer zu befinden. In einer Grabkammer, die seit Jahrhunderten den Feuerdämonen als Behausung gedient hatte. Zamorra schauerte. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn, dann tasteten seine Finger nach dem kühlen Silber des Amuletts auf seiner Brust.
Er spürte, daß der Kampf noch nicht zu Ende war. Er mußte auch noch den letzten der Dämonen vernichten, wenn er Château Montagne endgültig von dem uralten Fluch befreien wollte. Mit einem tiefen Atemzug richtete er sich auf. Er wußte nicht, ob er es richtig anfing. Er kannte nicht die uralten magischen Formeln, nicht die Worte, die vielleicht nötig waren. Aber in ihm brannte ein Wille, der stärker war als alle Zweifel, stärker als die Unsicherheit, und er folgte seinem Instinkt.
» Zeige dich! « rief er . »Erscheine! Ich befehle dir, dich zu zeigen! Ich bin mächtiger als du. Du mußt gehorchen…! «
Seine Stimme hallte dumpf durch den großen Raum. Dann senkte sich wieder die Stille herab. Zamorra hielt den Atem an, lauschte und wartete mit gespannten Sinnen.
Ein Herzschlag, eine Ewigkeit - er wußte später nicht mehr, wie lange es dauerte, bis das Schweigen brach. Ein hoher, singender Ton schien in der Luft zu schwingen. Funken begannen zu tanzen.
Lodernde Flammen wurden daraus. Ein hohles, schauriges Stöhnen begleitete das Aufwabern des Feuers, die Flammengestalt zuckte wie unter entsetzlichen Qualen, und Sekunden später hatte sich der letzte der Dämonen materialisiert. Zamorra beherrschte sich nur mit Mühe. Ruhig ging er auf den Dämon zu, der langsam vor ihm zurückwich.
Und dann, seltsam körperlos, aus allen Richtungen gleichzeitig kommend, war da plötzlich die Stimme.
»Halte ein, Meister! - Ich bin dein Diener! Nimm meine Unterwerfung an! Erwecke meine Brüder wieder zum Leben! Wir werden dir dienen!«
»Bleib stehen!« befahl Zamorra schneidend.
Der Dämon erstarrte. Ein Zittern durchlief die flammenumhüllte Gestalt. Zamorra hob die Hand - und das Gerippe begann sich wie in Krämpfen zu winden.
» Gnade! « ächzte die Stimme.
» Gnade, Meister! Wir werden dir dienen! Wir werden dich reich machen, mächtig! Du kannst die Welt beherrschen mit unserer Hilfe. Du kannst …«
Zamorras Hand berührte die Brust des Dämons. Die Stimme erstickte. Ein gräßlicher Schrei zitterte durch die Luft. Wie eine Wolke, die sich auflöst, verschwand der blaue Feuerschleier ins Nichts, aus dem aufgerissenen Kiefer des Gerippes drangen gräßliche, jaulende Laute, und die bleichen Knochen begannen sich aufzulösen.
Sekunden später war auch der letzte der Dämonen zu Staub und Asche zerfallen. Zamorra war allein.
Allein mit zwei furchtbar zugerichteten Toten - und mit der Gewißheit, daß diese beiden Männer die letzten Opfer waren, die die Dämonen von Château Montagne gefordert hatten. Aber er konnte keinen Triumph empfinden. Er wußte, daß es nur ein vorläufiger Sieg war, den er errungen hatte. Ein winziger Erfolg im Kampf gegen die Mächte der Finsternis, die überall gegenwärtig waren, ihren Tribut forderten - und immer wieder Menschen ins Verderben zogen. Menschen, die ihnen hilflos ausgeliefert waren, weil sie nicht das Mittel kannten, um sich zu wehren.
Er, Zamorra, besaß dieses Mittel. Das Amulett.
Das silberne Amulett Leonardo de Montagnes. Es hing immer noch um seinen Hals. Er spürte das kühle Metall auf der Haut wie eine sanfte Berührung. Er hatte die Kraft des Amuletts kennengelernt, er wußte jetzt um seinen Wert und er wußte zugleich auch, daß dieser Wert eine Verpflichtung mitbrachte, der er sich
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