0006 - Das Mutanten-Korps
also haben Sie gesehen?"
„Nichts, Sir!"
„Bleiben Sie sitzen, Captain!" befahl Mercant energisch, als Zimmerman aufstehen wollte.
Mercant kämpfte um äußerste Konzentration. Er hatte vor Wochen von einem australischen Bankbeamten gelesen, der auf Grund seiner telepathischen Fähigkeiten den Überfall einer Bande von Geldschrankknackern verhindern konnte. Seit langem hatte er ein ähnliches Talent bei sich selbst gespürt und allmählich begriffen, was es damit auf sich hatte, daß er seinen Mitmenschen in kritischen Momenten „ins Herz sehen" konnte. Doch er hätte jetzt zehn Jahre seines Lebens gegeben, wenn er ein echter Telepath gewesen wäre. Er war ein Stümper auf diesem Gebiet! Er begriff es nicht, wie man den klaren, vollen Gedanken des anderen erkennen konnte. Er konnte nicht den vollständig gedachten Satz rekonstruieren, sondern nur sinngemäß das Wesentliche spüren. Waren da nicht Mißverständnisse möglich? Wie kam Zimmerman auf die Idee, ihn töten zu wollen?
Zweifellos dachte der Captain ans Töten. Und dieser Wunsch zielte auf ihn, Allan D. Mercant, Chef der HA. Gab es da noch Zweifel?
Mercant sah seinem Mann über die Schulter und erkannte die Schußwaffe am Koppel. Den Gedanken, sie durch einen überraschenden Griff an sich zu bringen, verwarf er sofort wieder. Denn Zimmerman, der ans Töten dachte, hatte sich längst auf die Pistole konzentriert und würde dem körperlich unterlegenen Mercant zuvorkommen. Er brauchte die eigene Waffe, die unten rechts im Schreibtisch lag. Genau neben dem Funkgerät.
Bei gleichmäßiger Bewaffnung war Mercant im Vorteil, denn der Captain konnte nicht ahnen, daß sein Gegner gewarnt war. Bis zur Schaffung einer solchen Lage würde es fünf bis sechs Sekunden lang ein Risiko geben, denn Mercant mußte seinen Platz hinter Zimmerman verlassen. Er tat es mit Worten, die den anderen neugierig machten und erwartungsgemäß zögern ließen.
„Ich will Ihnen etwas sagen, Captain. Ihr Gespräch mit O'Healey habe ich selbst mitgehört und auf Band genommen. Ich habe darüber hinaus noch etwas anderes mitgehört, was Sie mir vielleicht erklären können. Allerdings habe ich bisher nicht den Eindruck von der Sache, daß Ihre Meldung ein Scherz war. Oder wie erklären Sie sich folgendes ...?"
„Was meinen Sie?"
Mercants Risikomarsch um den Schreibtisch herum begann. Zimmerman drehte sich in seinem Sessel langsam mit, und schließlich saßen sich beide Männer gegenüber. Zwischen ihnen der gewaltige Schreibtisch. Bei Zimmerman hatte die Neugier gesiegt. Er schoß nicht, sondern wartete.
Mercant schaltete das Tonbandgerät ein und tat gleichzeitig einen Griff nach seiner Pistole. Sofort fühlte er sich völlig sicher und stellte das Gerät wieder ab.
Zimmerman fuhr hoch.
„Warum spielen Sie nicht das Band ab? Wollen Sie jetzt die Rolle des Geheimnisvollen übernehmen, Sir?"
„Geduld, Captain! Zuvor noch eine Frage. Welchen Vorteil versprechen Sie sich davon, mich zu töten?"
Diese Frage beendete bereits die Unterredung. Sie war für Captain Zimmerman zu unvorbereitet gekommen, als, daß er noch die hundertprozentige Kontrolle über seinen Körper hätte ausüben können. Der Attentäter fühlte sich in seiner Stellung verraten und versuchte durch eine überstürzte Reaktion seinen Plan doch noch auszuführen.
Er griff nach der Hüfte und riß die Pistole heraus. Bis er sie jedoch im Anschlag hatte, war es zu spät für ihn. Denn sein Gegner befand sich strategisch ausgedrückt - auf der inneren Linie.
Wie schon erwähnt, saßen sich beide Männer genau gegenüber. Zwischen ihnen stand der Schreibtisch.
Und der Schreibtisch hatte - wie das bei solchen Möbeln, soweit sie symmetrisch gebaut sind, meistens der Fall ist - ein Loch, das zur Aufnahme der Beine diente. Dieses Loch hatte sich Mercant als Schießscharte angeboten, und während Zimmerman seine umständlichen Bewegungen durchführen mußte, um zum Schuß zu kommen, brauchte Allan D. Mercant lediglich den Finger durchzukrümmen.
Der Captain sackte in sich zusammen. Bevor er seinen Plan durchführen konnte, war er tot.
*
Was während des mehrjährigen Bestehens der HA noch niemals der Fall gewesen war, ereignete sich jetzt. Sergeant O'Healey kam unaufgefordert hereingestürzt und fuchtelte seinerseits gleichfalls mit einer Pistole in der Luft herum. Als er Mercant unversehrt vor sich sah, hielt er jäh inne. Der Tote im Sessel war ihm ein Rätsel.
„Sir! Was ist geschehen?"
„Ich
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