Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0006 - Ich stürmte das graue Haus

0006 - Ich stürmte das graue Haus

Titel: 0006 - Ich stürmte das graue Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
Vom Netzwerk:
sieben Stockwerke. Unten war ein Pelzlager, die zweite Etage nahm ein Tuchversandgeschäft ein, dann kamen ein paar Anwälte, ein Ingenieurbüro und noch einige Firmen. Nach dem Wegweiser an der Wand lag Joel Rusters Büro im fünften Stock.
    Wir läuteten dem Portier. Es dauerte einige Zeit, bis er aus seiner Souterrainwohnung heraufschlurfte. Er öffnete eine vergitterte Klappe in der schweren Holztür.
    »Wir möchten das Büro von Mr. Ruster sehen«, verlangte ich und reichte ihm meinen FBI-Ausweis durch das Gitter. Er studierte ihn gründlich, wurde dann sehr diensteifrig, führte uns zum Aufzug und fuhr uns in den fünften Stock.
    »Die zweite Tür links«, erklärte er. »Kommen Sie mit!«
    Die Tür bestand zur Hälfte aus Glas, auf der sich die gleiche Aufschrift befand wie auf den Briefumschlägen. Ich probierte die bei dem Toten gefundenen Schlüssel aus. Schon der zweite paßte.
    »Der Lichtschalter befindet sich rechts«, sagte der Portier.
    Es war ein kleiner Raum, in dem nur eine Schreibmaschine, ein runder Tisch und zwei Besucherstühle standen. Auf einem niedrigen Aktenregal mit einigen Schnellheftern befand sich ein Telefon. Links führte eine Tür zu einem zweiten Raum.
    »Mr. Rusters Privatbüro?« fragte ich den Portier. Er nickte.
    Auch dieser Raum war nicht in irgendeiner Weise auffällig eingerichtet. Ein bescheidener Schreibtisch, ein Rundtisch mit zwei Stahlrohrsesseln, mehrere Aktenregale, ein Bücherschrank, ein kleiner Tresor, ein zweites Telefon.
    Ich bot dem Portier einen der Sessel und eine Zigarette an. Fünf Minuten später wußte ich alles über Joel Ruster, seine Lebensgewohnheiten, seine Familie.
    Er betrieb sein Agenturgeschäft seit fünfzehn Jahren, hatte klein angefangen. Heute mochte er fünfzig- oder sechzigtausend Dollar pro Jahr verdienen. Er hatte eine einzige Bürokraft, ein ältliches Fräulein, das seit über zehn Jahren bei ihm war. Er war seit acht Jahren verheiratet, und obwohl die Ehe kinderlos blieb, schien es nach Ansicht des Portiers eine sehr gute Ehe zu sein. Ruster galt als solide. Seitdem er sich zu einem mittleren Einkommen hochgekrabbelt hatte, bewohnte er eine hübsche Wohnung in der 72. Straße.
    Ich untersuchte das Telefon im Hauptbüro, während der Hausmeister mir neugierig zusah. Die Leitung führte zu einer Sammelbüchse und ging von da aus in einer Sammelleitung, die unter dem Wandputz lag, vermutlich zu dem Hauptverteiler in den Kellerräumen und von da aus zum Straßenkabel.
    »Suchen Sie etwas am Telefon?« fragte der Portier.
    Ich nickte.
    »Heute ist daran gearbeitet worden«, sagte er. »Aber im Vorzimmer.«
    »Heute?«
    »Ja, um fünf Uhr. Ein Mann von der Telegrafengesellschaft kam, als Mr. Rusters Bürohilfe gerade fortgegangen war. Ich ließ ihn mit dem Hauptschlüssel ein und stand dabei, während er an der Leitung arbeitete. Es ging ganz schnell und dauerte kaum zehn Minuten.«
    »Können Sie mir zeigen, was er tat?«
    Der Mann kratzte sich den Kopf.
    »Ich verstehe ja nicht viel davon«, brummte er. »Ich glaube, er entfernte ein kleines Stückchen Draht zwischen der Leitung zum zweiten Apparat und der Anschlußbuchse.« Ich ließ mir die Stelle zeigen, an der der angebliche Mechaniker gearbeitet hatte. Zentimeterweise prüfte ich die Leitung. Eine Daumenbreite, bevor sie in den Anschlußkasten mündete, fand ich eine kleine blanke Stelle. Etwas Mörtelstaub auf dem Fußboden verriet mir, daß der Deckel der Anschlußdose ab- und wieder angeschraubt worden war.
    Ich stand auf. Ich bin kein Schwachstromingenieur. Ich fand mich in dem Gewirr von Drähten nicht zurecht, aber ohne Zweifel hatte sich hier eine Vorrichtung befunden, mit deren Hilfe Rusters Gespräche überwacht werden konnten, und diese Vorrichtung war entfernt worden, weil sie die Möglichkeit zur Entdeckung des Abhörers bot.
    »Der Mechaniker hat übrigens auch noch im Keller gearbeitet«, sagte der Portier. »Wollen Sie das auch sehen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Beschreiben Sie mir lieber, wie er aussah.«
    Er lieferte eine nicht mal schlechte Beschreibung.
    »Und nun noch den Namen und die Adresse von Rusters Bürohilfe, falls Sie sie wissen.«
    Er wußte sie. Miss Littlefield, 112. Straße 93.
    Das wurde eins der peinlichsten Verhöre, die ich je durchgeführt habe. Es ist nicht jedermanns Sache, ein etwas älteres Fräulein eine halbe Stunde vor Mitternacht aus dem Bett zu läuten. Meine Sache jedenfalls war es nicht, aber ich tat es, weil ich es tun mußte.
    Vor

Weitere Kostenlose Bücher