0006 - Ich stürmte das graue Haus
erschossen wurde«, begann er, nachdem wir unsere Namen ausgetauscht hatten. »Ich halte mich für verpflichtet, Ihnen mitzuteilen, daß in derselben Nacht in meinem Büro ein Einbruch versucht wurde. Ich habt, das selbstverständlich dem örtlichen Polizeirevier gemeldet, aber vielleicht besteht ein Zusammenhang zwischen den beiden Verbrechen. Aus diesem Grunde informiere ich Sie.«
»Wurde Bestimmtes gestohlen?« fragte ich rasch.
»Es wurde nichts gestohlen«, antwortete er gemessen. »Die Täter versuchten offensichtlich, meinen Panzerschrank zu öffnen, aber er widerstand ihren Bemühungen. Daraufhin brachten sie eine Sprengladung an. Der Schrank wurde zerstört, und der im Anschluß an die Explosion ausbrechende Brand vernichtete einen großen Teil des Inhalts.«
»Befanden sich Papiere darunter, die auf Joel Ruster Bezug hatten?«
Rechtsanwalt Bonders legte die Fingerspitzen zusammen.
»Mr. Ruster war nicht gerade mein bedeutendster Klient, aber er wurde selbstverständlich genauso korrekt und sorgfältig behandelt wie jeder andere. Vor einem halben Jahr brachte er mir einen großen Umschlag und erklärte, daß sich darin sein Testament befände. Ich erinnere mich, daß ich scherzte, ich hätte mein Testament noch nicht gemacht, obwohl ich zwanzig Jahre älter sei als er. Ich hielt diese Maßnahme bei einem Mann seines Alters für verfrüht. Er antwortete etwa, daß ein gewaltsamer Tod nicht nach dem Alter frage, und als ich ihn daraufhin befremdet anblickte, erklärte er, er dächte an einen Verkehrsunfall oder ähnliches. Er bat mich dringend, dafür zu sorgen, daß die Papiere vor seinem Tod unter gar keinen Umständen in unberufene Hände fielen. — Ich möchte sagen, Mr. Ruster war bei jenem Besuch etwas melancholisch gestimmt. Das ist im allgemeinen so bei Herrschaften, die ihre Testamente deponieren. Sie verstehen, der Gedanke an den Tod bringt das mit sich, aber Mr. Ruster äußerte einen Satz, der mir im Gedächtnis geblieben ist. Er sagte ungefähr: ›Die entscheidendsten Dinge eines Lebens begegnen uns oft an den prosaischsten Orten. Bei mir ist es eine Tankstelle, von der ich mein Leben lang nicht loskomme.‹«
»Sie sagten, daß ein großer Teil des Panzerschrankinhaltes durch den Brand vernichtet wurde?« fragte Phil. »Ein großer Teil — nicht alles?«
»Darüber kann ich nichts Genaues sagen. Ich erwarte noch die Freigabe meines Büros durch die untersuchende Polizeidienststelle. Danach müssen wir Ordnung machen, und dann könnte ich Ihre Frage vielleicht beantworten.«
»Wie heißt der zuständige Beamte?«
»Lieutenant Miller vom 26. Revier.«
Ich ließ mir die Verbindung geben. Als ich den Lieutenant an der Strippe hatte, sagte ich: »Hallo, Miller, hier ist Cotton vom FBI. Sie haben da einen Einbruch mit anschließender Explosion bei dem Notar Bonders. Es scheint, als bestünden Zusammenhänge mit einer Sache, hinter der wir her sind. Sind Sie mit Ihren Untersuchungen fertig? Können wir das Büro betreten?«
»Wenn’s sein muß«, antwortete er, »aber viel werden Sie nicht finden. Es hat ziemlich gründlich gebrannt.«
»Danke, Lieutenant«, verabschiedete ich mich, stand auf und fischte mir meinen Hut vom Haken.
»Bitte begleiten Sie uns in Ihr Büro«, bat ich den Anwalt.
Sie wissen alle mehr oder weniger, wie es in einem Raum aussieht, in dem es geknallt und außerdem gebrannt hat. Na ja, so sah es bei Bonders aus. Der Panzerschrank stand an der Stirnwand und gähnte uns mit seinem mit Stahl- und Betonsplittern gespickten Maul an. Überall wirbelten Papierfetzen, vermengt mit reichlich Asche, und es gab nichts, was nicht wenigstens angeschmort war. Die Feuerwehr hatte mit einer Wasserplansche ein übriges getan, um die Unordnung vollkommen und besonders unbehaglich zu machen.
»Mr. Bonders«, wandte ich mich mit leichter Ungeduld an ihn, »bitte haben Sie die Güte, uns zu unterstützen. Wir suchen die von Ruster bei Ihnen niedergelegten Dokumente. Wie sahen sie aus? Stecken sie in einem Umschlag? Welche Farbe hatte der Umschlag?« Ich machte eine einladende Bewegung zum Panzerschrank. »Vielleicht sehen Sie selbst nach.«
Er trat mit vorsichtigen Schritten näher und stocherte mit seinem zusammengelegten Regenschirm in den ganz oder halb verkohlten Papieren herum.
»Das«, sagte er schließlich, »könnte es sein. Reichen Sie es mir bitte.«
Wir förderten einen Umschlag zutage, beziehungsweise das, was davon übriggeblieben war. Bonders trug es vorsichtig zum
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