0008 - Der Werwolf
und der Hunger machten sie schwindelig. Ihr Herz klopfte so aufgeregt gegen die Rippen, daß sie fürchtete, Hathaway könne es hören.
Mit jeder Minute nahm dieses quälende Unwohlsein zu.
Nicole preßte die Augen zusammen. Sie japste nach Luft und wollte die schreckliche Aufregung niederringen, doch es gelang ihr nicht. In ihren Ohren hob ein störendes Brausen an. Sie konnte sich nicht mehr richtig konzentrieren. Vor ihre Augen legte sich ein dünner Schleier, der aber rasch dicker wurde.
Plötzlich begriff sie.
Der Kaffee!
Sie hätte ihn nicht trinken sollen. Hathaway hatte ihn präpariert.
Plötzlich drehte sich das ganze Zimmer vor ihr.
Sie sah Hathaway immer wieder an ihren starren Augen vorbeikommen.
Er grinste. Es war das Grinsen eines Teufels.
In der verzweifelten Hoffnung, doch noch entkommen zu können, schnellte Nicole hoch. Sie wankte, verlor das Gleichgewicht und fiel um.
Wie aus weiter Ferne hörte sie Hathaways höhnisches Gelächter.
Dieses Gelächter verfolgte sie bis in die lähmende Ohnmacht hinein.
***
Als Nicole zu sich kam, war ihr entsetzlich kalt. Sie fühlte, daß sie nackt war, und sie konnte sich nicht bewegen.
Raffael Hathaway hatte sie an Armen und Beinen gefesselt.
Er selbst war nicht da.
Nicole versetzte es einen furchtbaren Schock, als sie begriff, wo sie sich befand.
Sie glaubte sich ins tiefste Mittelalter zurückversetzt. Die Folterkammer vom Château Montagne war ihr bekannt, und sie hatte die Einrichtungsgegenstände immer mit Schaudern betrachtet.
Doch was sich ihrem Auge hier bot, war um vieles reichhaltiger und schlimmer.
Es gab Daumenschrauben, Peitschen, Geißeln, Dornen, mit denen man dem Gefolterten die Augen ausstechen konnte. Natürlich fehlten auch die Spanischen Stiefel nicht, und die Eiserne Jungfrau schien in dieser Folterkammer des Teufels einen Ehrenplatz zu haben.
Entsetzt stellte Nicole fest, daß sie auf dem rissigen Holz einer Streckbank lag.
Obwohl es hier unten elektrisches Licht gab, brannten armdicke Fackeln, die in klobigen Eisenringen steckten.
Ihr Licht züngelte, zuckte und tanzte nervös, warf gespenstische Schatten und machte dem verzweifelten Mädchen noch mehr angst.
Schritte.
Nicole hielt den Atem an.
Hathaway kam die Kellertreppe herunter. Als er sah, daß Nicole aus der Ohnmacht erwacht war, trat er mit einem gemeinen Gelächter näher an sie heran.
Sein flammender Blick glitt über Nicoles nackte Brüste, über ihren flachen Bauch…
»Du bist ein prachtvolles Mädchen, Peggy French.«
Lachend legte er die Hand auf die Winde. Damit konnte er die Stricke langsam anspannen, die er um Nicoles Arme und Beine geschlungen hatte.
»Oder heißt du nicht Peggy French?«
»Doch! Doch! Ich heiße Peggy French!« keuchte Nicole.
»Und du kommst also von ›Sweetheart‹, nicht wahr?«
»Ja. Ja!«
»Wie kommt es dann, daß dich da niemand kennt, Peggy French? Ich habe heute morgen angerufen. Eine Peggy French ist den Leuten völlig unbekannt. Wie heißt du wirklich, Mädchen? Sag deinen richtigen Namen! Ich will deinen richtigen Namen wissen!«
»Peggy French! Ich heiße wirklich Peggy French!« schrie Nicole Duval verzweifelt.
»Lüg nicht!«
»Es ist die Wahrheit! Ich schwöre es.«
»Mädchen, ich weiß nicht, ob du dir deiner schlimmen Lage völlig bewußt bist. Ich kann dich auf dieser Bank einen Meter strecken. Das ist verdammt schmerzlich, sag ich dir. Ich brauche nur diese Winde zu bedienen. Nach und nach reiße ich dir damit Arme und Beine aus den Gelenken. Du wirst es erleben, wie schmerzhaft das ist.«
»Ich bin Peggy French!« kreischte Nicole entsetzt. »Aber ich komme nicht von ›Sweetheart‹.«
Hathaway hob die Brauen.
»Ach, das ist ja interessant. Warum hast du dann aber gestern gesagt, die Agentur hätte dich geschickt?«
»Ich – ich wollte, daß Sie mich aufnehmen. Ich – ich habe schon viel von Ihnen gehört und fand Sie interessant. Ich wollte Sie näher kennenlernen, erfuhr, daß Sie laufend Mädchen bei der Agentur bestellen, und dachte mir, so am schnellsten an Sie heranzukommen.«
Hathaway dachte nach, ob das Mädchen die Wahrheit sagte.
»Du lügst!« schrie er plötzlich wütend. »Ich glaube dir kein Wort!«
Er begann die Winde zu drehen. Sie knarrte. Die Stricke spannten sich, schnitten tief in Nicoles Fleisch, zerrten hart an ihren Armen und Beinen. Schon spürte sie einen stechenden Schmerz in den Gelenken.
Sie schrie gellend.
»Sag die Wahrheit!« brüllte Raffael Hathaway.
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