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0008 - Ich faßte den Eisenbahn-Mörder

0008 - Ich faßte den Eisenbahn-Mörder

Titel: 0008 - Ich faßte den Eisenbahn-Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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Gesichtskreis die Gestalt eines Mannes, der sich rasch durch die Reisenden am Zug entlangschob. Er war groß, trug einen tief in die Stirn gezogenen Hut. In der linken Hand hielt er eine schwarze Aktentasche. Sein gut geschnittener Anzug fiel locker um seinen hohen breitschultrigen und schmalhüftigen Körper. Er ging schnell und federnd. Sein Gang, seine Bewegungen erinnerten an die lautlose Geschmeidigkeit, mit der ein Tiger sich bewegt. Ich konnte seine Augen nicht sehen, und doch wußte ich in dem Augenblick, in dem ich ihn erblickte: Das ist er!
    Der Zeiger der großen Uhr sprang auf dreiundzwanzig Uhr zehn. In dieser Sekunde geschah es. Glas klirrte, und eine Frauenstimme schrie, gellte: »Steve! Sie sind da! Lauf, Steve, Steve!«
    Ich hatte mich eben hingesetzt. Ich sprang hoch, war mit einem Satz beim Fenster. Genau in dem Augenblick huschte der Mann unter mir vorbei. Schon war Bewegung auf dem Bahnsteig. Während das Publikum noch nicht begriffen hatte, setzten sich unsere Leute in Trab. Die ersten Revolver lagen in den Händen, und da peitschte der erste Schuß.
    Ich sprang auf den Bahnsteig, um mich an der Jagd zu beteiligen. Als ich den Boden berührte, sah ich Hunter in Höhe der Lokomotive!
    »Stehenbleiben!« schrie ich und riß den Revolver aus der Halfter.
    Er wandte sich zum Sprung herum wie ein Panther. Zwei Herzschläge lang sah ich seine Augen wie damals im Intercontinental, diese glitzernden, schillernden grauen Augen, und sie hatten den gleichen Ausdruck, den Ausdruck einer gehetzten großen Katze. Mit einem Sprung von ungeheurer Geschmeidigkeit schnellte er an der Lokomotive hoch und verschwand auf der Plattform. Bruchteile von Sekunden später krachte ein Mensch auf das Pflaster des Bahnsteigs: der Lokomotivführer.
    Ich hörte Schüsse vom anderen Bahnsteig. Hunter schien versucht zu haben, die Lok nach der anderen Seite zu verlassen und war von unseren Leuten, die dort standen, unter Feuer genommen worden. Ich rannte, war fast an der Lokomotive, als ein wildes, geradezu wahnwitziges Zischen die Luft erschütterte. Gleichzeitig begannen die Räder der Lokomotive unter ohrenbetäubendem Kreischen leer und wie rasend auf den Schienen zu drehen, packten dann, und mit einem Satz wie ein losgelassenes Tier fuhr die Lok an.
    Die Puffer der Waggons knallten gegeneinander, nicht verschlossene Türen flogen auf, die Menschen schrien, stürzten zu Boden, Fenster zerbarsten. Hunter mußte mit einer Hebelbewegung den vollen Dampf auf das Triebwerk gegeben haben.
    Rasch, wie in einem Traum, glitten die Wagen an mir vorbei. Schemenhaft zuckten durch mein Blickfeld die Fenster mit schreienden und gestikulierenden Menschen. Ich rannte, rannte aus Leibeskräften. Schneller und schneller rollte der Zug. Ich verlor an Boden. Der herausgestürzte Lokomotivführer lag mir im Weg. Ich setzte über ihn hinweg, näherte mich seitlich dem Zug. Eine offene, hin und her schlagende Tür traf mich um ein Haar. Ich streckte die Arme aus, merkte, daß ich den Revolver noch in der Hand hielt und schleuderte ihn weg. Wieder rollte eine Tür, diesmal eine geschlossene, an mir vorbei. Ich sprang, erwischte den Griff, klammerte mich an und zog die Beine hoch. Ich bekam das Fußbrett unter die Füße, preßte mich vor einem Signalmast, der mich herunterfegen wollte, eng an die Waggonwand. Dann riß ich die Tür auf. Ich war im Zug, der jetzt schon eine Geschwindigkeit von fünfzig Meilen erreicht haben mochte.
    Zwei Atemzüge gönnte ich mir, mehr nicht. Ich rannte durch den schaukelnden Gang nach vorn, durch den Speisewagen, in dem alles durcheinanderlag, durch den Schlafwagen, dessen Schaffner auf dem Boden kauerte und seine großen Augen rollte, und dann hämmerte ich gegen die verschlossene Verbindungstür zum Postwagen, der unmittelbar hinter der Lokomotive lief.
    »Macht auf!« brüllte ich. »Macht auf! FBI!«
    Unter mir kreischten die Räder. Ich warf mich mit aller Gewalt gegen die Tür. Sie gab nach, und ein bleicher Postbeamter und ich fielen übereinander in den Postwagen.
    Ich raffte mich hoch, sah in die weißen Gesichter der drei Postbeamten, die die Besatzung des Wagens bildeten.
    »Los«, schrie ich sie an, »macht die Tür zur Lok auf! Ich muß rüber!«
    »Keine Verbindung nach dort«, antwortete einer mit blassen Lippen.
    »Auf mit der Tür!« schrie ich.
    Der Mann, der am meisten noch seinen Verstand beieinander zu haben schien, öffnete die verschlossene Verbindung. Ich riß sie zurück.
    Vor mir sah ich

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