0009 - Der Hexenmeister
Fleming zu helfen.
»Wie sind Sie eigentlich auf den unseligen Einfall gekommen, der Basilika einen Besuch abzustatten, Armand?« erkundigte sich Nicole Duval, um den Wirt abzulenken. »Schließlich stammen Sie aus diesem Dorf, das von alters her mit der bedrohlichen Nachbarschaft fertig werden mußte. Sie konnten nicht ahnungslos sein.«
»Das ist richtig«, bestätigte der Wirt, während er mit seinem Gast in das Erdgeschoß hinunterging. Dort roch es nach Kaffee.
Armand benetzte seine Lippen mit der Zunge. Er hatte zu niemandem über seine furchtbaren Erlebnisse gesprochen. Jetzt konnte er der Versuchung nicht widerstehen, sich alles von der Seele zu reden, was wie ein Trauma sein Leben erfüllte, ihn nachts schweißgebadet aus den Kissen auffahren ließ, schuldig, gefangen, entmenscht.
Sie setzten sich an den blankgescheuerten Eichentisch in der Küche.
Armand hatte nur für zwei Personen gedeckt. Mit Bill Fleming hatte er offenbar nicht mehr gerechnet.
»Für mich nur eine Schnitte Toast«, bat das Mädchen.
Sie aßen schweigend. Nicole hatte Mühe, das knusprige Brotstück überhaupt herunterzubekommen.
Nicole Duval legte ihre Hand auf den gesunden Arm des Wirtes.
Armand lächelte gequält.
»Leider muß ich Sie jetzt einsperren«, sagte der Wirt. »Es tut mir leid. Aber ich muß alle Spuren verwischen, die verraten könnten, daß Sie oder Mister Fleming hier waren. Sie werden beide eine Weile auf der Vermißtenliste stehen. Dann beruhigt sich die Welt und geht zur Tagesordnung über. Die Menschen vergessen schnell.«
»Nicht Professor Zamorra«, widersprach Nicole Duval trotzig.
Armand winkte gelassen ab. Seine Stahlprothese, die er wieder aufgesetzt hatte, wirkte wie eine gefährliche Waffe. Nicole Duval hatte keine Chance gegen diesen untersetzten Mann.
»Wohin bringen Sie mich?« fragte sie leise.
»Zunächst in den Keller«, antwortete Armand. Er hatte eine tiefe, rauhe Stimme. Anscheinend hatte er den toten Punkt überwunden.
Er war wieder ganz der alte: verschlagen, tückisch, boshaft.
»Etwa zu der alten Frau?« erschrak Nicole Duval.
Ihre lebhaften Augen verdunkelten sich.
»Die tut Ihnen bestimmt nichts«, versprach der Wirt…
***
Professor Zamorra saß in einem Ledersessel. Er hielt die Augen geschlossen. Die Fingerspitzen seiner beiden Hände lagen an den Schläfen. Zamorra, eine Kapazität auf dem Gebiet der Telepathie, dachte an Bill Fleming, seinen amerikanischen Freund, und an Nicole Duval, die Sekretärin des Professors, die sich auf eigenen Wunsch der Exkursion in die Montagne Noire angeschlossen hatte, mitgerissen von der Begeisterung, die der amerikanische Wissenschaftler für das Problem der Häretiker des 12. und 13. Jahrhunderts an den Tag gelegt hatte.
Professor Zamorra machte sich große Sorgen um die beiden. Sie hätten sich längst melden sollen. Nicole hatte versprochen, ihn anzurufen, sobald sie in Pelote eintrafen.
Zamorra spürte deutlich, daß irgend etwas nicht stimmte, daß seine beiden Freunde in Gefahr waren. Sein Instinkt verriet ihm das, diese Ahnung, die ihn des öfteren überkam.
Dämonische Mächte waren im Spiel, da war sich Zamorra sicher.
Sein sechster Sinn verriet es ihm.
Professor Zamorra federte hoch. Es gab für ihn keinen Zweifel. Er mußte nach Pelote.
Zamorra klingelte nach dem Diener und ließ die Koffer packen.
Eine halbe Stunde später war er bereit, aufzubrechen. Vor der großen Freitreppe des Loire-Schlosses, das der Professor bewohnte, stand der schwere, kognakbraune Citroën DS. Das Gepäck wurde von dem alten Diener des Schlosses gerade verstaut. Der Professor eilte zu seinem Wagen und sprang hinein.
Um nach Pelote zu gelangen, mußte es die Route Nationale Nummer 20 benutzen.
Der große Wagen fraß die Kilometer förmlich. Er gewann Raum, zu wenig zwar für den Geschmack des besorgten Zamorra, aber immerhin schneller, als die Polizei erlaubte.
Zamorra war ein hervorragender Fahrer. Und doch – kurz hinter Limoges passierte es.
Hinter einer Biegung wuchs eine rote Hecke aus dem Boden, entstanden wie aus dem Nichts. Zamorra blieb kaum noch Zeit, zu reagieren. Diese Autofalle war zu geschickt angelegt.
Er trat mit aller Macht auf die Bremse. Der Wagen schlingerte. Zamorra, der solche Situationen schon dutzendmal gemeistert hatte, beging einen Anfängerfehler. Er übersteuerte. Wie eine Rakete jagte der schwere Wagen zur Seite, kam auf den Grasstreifen neben der Fahrbahn und überschlug sich.
Blech knautschte mit einem
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