Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0009 - Der Hexenmeister

0009 - Der Hexenmeister

Titel: 0009 - Der Hexenmeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
Vom Netzwerk:
Nicole Duval hervor.
    »Dann können Sie ihn abschreiben. Machen Sie lieber, daß Sie fortkommen. Ich bringe Sie heute nacht auf den Weg«, meinte die Rothaarige.
    Sie kraulte den Kopf des schwarzen Schäferhundes, der neben ihr lag und zu ihr hochschaute.
    »Armand wird uns zwar auflauern, aber ich weiß, wie wir ihm ein Schnippchen schlagen können«, lächelte Odile Blanche. »Ich verspreche Ihnen, daß Sie Pelote mit heiler Haut verlassen. Dann kehren Sie zurück nach Paris oder wo immer Sie zu Hause sind, und bald ist Pelote für Sie nur noch ein böser Traum.«
    »Sie haben mich nicht verstanden«, widersprach Nicole Duval.
    »Ich kann Bill Fleming nicht in Stich lassen.«
    »Sie würden Mutter und Vater verraten, wenn Sie wüßten, was Sie erwartet«, warnte Odile Blanche. »Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin hier aufgewachsen. Ich sage Ihnen, dieser Kerl da oben kann gar nicht dulden, daß Sie fortlaufen und seine Geheimnisse in alle Welt hinausposaunen. Wir werden unsere ganze Geschicklichkeit brauchen, um ihm zu entgehen. Aber das überlassen Sie besser mir. Schließlich verfüge ich über geeignete Zaubermittelchen. Ich bin doch eine Hexe!«
    Odile Blanche lachte, aber es klang nicht sehr heiter.
    »Was reden Sie dauernd von einer Hexe?« fragte Nicole erregt. Sie saß so, daß sie aus dem Fenster blicken konnte. Sie sah Armand, der zähnefletschend vor dem Hoftor auf und ab lief, sich vor dem Gehöft aber fürchtete wie der Teufel vor dem Weihwasser. Immer wenn er einen Vorstoß wagte, schien es, als stoße er gegen eine unsichtbare magische Linie. Er prallte förmlich zurück.
    »Das ist eine lange Geschichte«, seufzte Odile Blanche. »Aber Sie haben recht. Warum soll ich Ihnen nicht davon erzählen? Vor Einbruch der Dunkelheit können wir uns nicht hinauswagen. Es verkürzt die Zeit und tut mir gut, wenn ich von meinen Problemen berichten kann. Ich habe so selten Gelegenheit dazu.«
    Auf dem gußeisernen Herd stand ein Wasserkessel.
    »Möchten Sie Kaffee?« fragte die Gastgeberin.
    Nicole Duval nickte stumm.
    Das Mädchen holte Geschirr aus dem bemalten Bauernschrank an der Stirnseite und deckte den Tisch. Dann brühte sie Kaffee auf. Sie servierte Baguette und stellte Butter daneben.
    »Wir leben hier sehr einfach«, erklärte Odile Blanche. »Es reicht gerade zum Notwendigsten.«
    »Warum bleiben Sie dann hier? In der Stadt könnten Sie doch genug verdienen«, fragte Nicole.
    Immer wieder schaute sie vorsichtig aus dem Fenster, um sich zu vergewissern, daß Armand keinen Angriff wagte.
    »Ich bleibe hier, weil das die gerechte Strafe für mich ist«, flüsterte Odile Blanche. Tränen traten in ihre rätselhaften Augen. »Ich büße für meine Sünden.«
    »Was sollten Sie schon auf dem Gewissen haben? In Ihrem Alter?«
    »Ich habe vor einem Jahr beweisen wollen, daß es mit der Basilika nichts auf sich hat«, berichtete Odile Blanche. »Damals lebte meine Mutter noch. Sie hatte mir von dem schaurigen Geheimnis der Kirche erzählt und von Manasse, dem Seher und Hohepriester der Sekte, der verantwortlich ist für das unselige Wirken der Albigenser. Meine Mutter erwähnte die Kultpraktiken, soweit sie mündlich aus jener Zeit überliefert wurden. Es klang alles sehr gruselig, aber auf mich wenig überzeugend. Ich wollte hinaufgehen und zurückkommen, um zu beweisen, daß Tote tot sind und Vergangenheit vergangen. Meine Mutter beschwor mich, das nicht zu tun. Sie hatte mir immer vorgegaukelt, mein Vater sei im Kriege gefallen. Jetzt rückte sie mit der Wahrheit heraus. Mein Vater war in Wirklichkeit zur Ruine gegangen, um den Schatz der Albigenser zu heben, jenen rätselhaften Hort, den es tatsächlich gibt, wie ich mittlerweile weiß. Mein Vater ist nie zurückgekehrt. Er blieb im Reich der Schatten, ein Anhänger Manasses. Er nimmt teil an den widerlichen Riten der Sekte. Er ist tot und bewegt sich doch. Er ist für immer verloren.«
    Odile Blanche schwieg ein paar Sekunden lang.
    Dann fuhr sie fort. »Fernand, ein Nachbarjunge, dem ich von meinen Plänen erzählt habe, wollte mich nicht allein gehen lassen. Er begleitete mich auf den Col de la Chutte. Als er dann aber schließ- lich doch umkehren wollte, nannte ich ihn einen Feigling. Wir drangen in die Ruine ein.«
    Odile Blanche streichelte gedankenverloren ihren Hund.
    »Es kam, wie es kommen mußte«, fuhr das Mädchen mit monotoner Stimme fort. Ihr Gesicht blieb unbewegt. »Wir fielen in die Hände der Mysterienbrüder. Sie schleppten uns in

Weitere Kostenlose Bücher