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0009 - Der Hexenmeister

0009 - Der Hexenmeister

Titel: 0009 - Der Hexenmeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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ahnte die doppelte Gefahr, der Nicole Duval nun ausgesetzt war, und kehrte um, ohne den Ausgang des Desasters verfolgt zu haben. Sie war überzeugt, daß keiner der Insassen des Flugzeuges überlebt haben konnte.
    Jetzt galt es, Nicole Duval wenigstens in Sicherheit zu bringen, sie zu retten, ehe es zu spät war und Manasse seine Klauen nach dem neuen Opfer ausstreckte, um es in seinen Bann zu ziehen, zu töten und wiederzuerwecken, ein Perpetuum mobile aus bleichen Knochen und unstillbarem Haß auf alles Leben.
    Odile Blanche rannte so schnell sie konnte. Den Entsetzensschrei der anderen Zuschauer im Ohr, die näher am Ort des Geschehens ausharrten, gab sie ihr letztes.
    Vergeblich versuchte Armand, der ihr gefolgt war, Schritt zu halten. Sein höhnisches Gelächter verfolgte sie. »Hast du jetzt begriffen, du Träumerin?« keuchte der Besessene. »Manasse läßt sich durch solche Mätzchen nicht aufhalten! Der schnippt mit dem linken kleinen Finger, und jedes Flugzeug fällt wie ein Stein zu Boden! Und diese Kleine entkommt ihm auch nicht. Ich werde sie selbst hinauf geleiten. Ich werde lachen, wenn sie stirbt. Denn jedes Leben, das ich Manasse bringe, verlängert meins. Und dich wird er töten, weil du versuchst, ihm ins Handwerk zu pfuschen. Du Närrin! Dich wird Manasse zu Tode foltern lassen!«
    Odile Blanche antwortete nicht. Sie jagte mit weiten Sätzen dem Hoftor entgegen, besorgt um das Schicksal der Freundin, des einzigen Menschen, dem sie seit Jahren Vertrauen entgegenbringen durfte.
    Odile wußte, daß Nicole Duval allein verloren war. Odile Blanche war bereit, sich zu opfern. Vielleicht bedeutete das eine Art Wiedergutmachung für das, was sie Fernand angetan hatte.
    »Du entkommst uns nicht!« keifte Armand. »Du denkst wohl, Manasse kann die Basilika nicht verlassen, wie? Das ist deine ganze Hoffnung! Du traust dir zu, mich hereinzulegen, und vergißt dar- über, daß es noch den schwarzen Abt gibt. Er taucht an jedem Punkt der Erde auf, wenn er es wünscht. Du glaubst doch nicht, daß jemand, der den Tod besiegt hat, vor Zeit und Raum zurückschreckt?«
    Armand wagte sich in seinem blinden Eifer zu weit vor, berührte die unsichtbare Schranke, die das Gehöft umgab, und prallte wie von einem unsichtbaren elektrischen Zaun zurück.
    Er brach in die Knie und wand sich in Krämpfen. Schaum stand vor seinem weit aufgerissenen Mund. Er bog sich unter unerträglichen Schmerzen, heulte und klapperte mit den Zähnen wie ein Verdammter in der tiefsten Tiefe der Hölle.
    Odile Blanche aber stürzte in die Kate und erstattete in fliegender Hast Bericht, zerstörte Nicole Duvals jubelnde Zuversicht.
    »Du mußt schleunigst weg. Bald wird es dunkel. Dann beginnt die Stunde des schwarzen Abtes. Er wird alles versuchen, um uns zu verderben. Hast du ein Kreuz?«
    Nicole schüttelte den Kopf.
    Entschlossen streifte Odile Blanche das goldene Kreuz ab, das sie seit den Tagen ihrer Kindheit trug und erst recht, seit sie den Zugriff des Bösen gespürt hatte, damals auf dem Berg, in der schauerlichen Ruine der Basilika, dem Tempel der frevlerischen Albigenser.
    Odile Blanche küßte die Freundin. Es war wie ein Abschied für immer. Und tatsächlich blieb ihnen nicht mehr viel Zeit.
    »Wir brechen jetzt auf«, entschied Odile Blanche. »Es wird bald dunkel. Bis dahin wollen wir die Ruine passiert haben.«
    »Die Ruine?« Nicole Duval fuhr zurück. »Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich freiwillig auch nur in die Nähe des Gemäuers gehe?«
    »Wir haben keine Wahl. Auf dieser Route stoßen wir am ehesten auf die Hauptstraße. Dort ist Leben – und vielleicht Rettung.«
    »Und Armand?«
    »Den überlisten wir mit Leichtigkeit. Mehr Sorgen bereitet mir sein Herr und Meister. Manasse läßt sich nur schwer seine Beute entreißen. Du hast seine Macht gespürt. Wenn er will, fällt selbst ein Flugzeug zur Erde – und genau so ist dieser ›Unfall‹ geschehen. Gegen ihn konnte auch Professor Zamorra nicht bestehen. Wieviel schwieriger wird es dann für uns zwei, denen nichts geblieben ist als eine Handvoll Mut und etwas Gottvertrauen. Komm jetzt. Wir müssen los!«
    Aus einem alten, mit Stroh ausgestopften Kleid und einer Perücke fertigte Odile Blanche im Handumdrehen eine Puppe, die Armand für eine Weile täuschen konnte. Sie schaltete eine Lampe ein und sorgte dafür, daß sie so stand, daß der Schatten der Figur deutlich zu sehen war. Mochte Armand glauben, daß die beiden, denen er nachstellte, noch friedlich am

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