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0009 - Der Hexenmeister

0009 - Der Hexenmeister

Titel: 0009 - Der Hexenmeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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rumpelnden Gefährts.
    Der grauhaarige Mann ging gebückt zwischen den Holmen. Er spürte die Blicke derjenigen, die seit Menschengedenken mit ihm Haus an Haus wohnten und ihn jetzt mieden wie einen Pestkranken.
    Die Eltern verscharrten ihre Tochter, für die kein Platz war in geweihter Erde, auf dem freien Feld, auf einem Acker, den sie gepachtet hatten. Sie errichteten ein schlichtes Holzkreuz, das später wieder entfernt wurde.
    Mitten in der Arbeit flog der erste Stein. Er traf die Frau am Kopf.
    Sie sackte mit einem Wehlaut zusammen. Dann kam es hageldicht.
    Der Mann versuchte zu fliehen.
    Aber sie holten ihn ein und steinigten ihn.
    Die Mörder entkamen im Schutze der Nacht. Niemand fragte nach ihnen, obgleich jeder ihre Namen kannte.
    Später holte der Pfarrer des Ortes ein kleines, verstörtes Mädchen aus der Kate am Rande des Dorfes Pelote. Die Kleine mochte knapp zehn Jahre alt sein. Sie nannte das gleiche flammendrote Haar wie die Mutter ihr eigen und hatte diese rätselhaften grünen Katzenaugen.
    Das Mädchen wurde den barmherzigen Schwestern übergeben.
    Damit war ihr Lebensweg eigentlich vorgezeichnet. Aber sie brach aus der klösterlichen Gemeinschaft aus und kehrte nach Pelote zurück. Hier erfuhr sie von dem Schicksal der Mutter und ihrer Großeltern.
    Die hübsche Rothaarige verbündete sich mit einem Hauptmann der Königlichen Dragoner. Während der Albigenserverfolgungen tat ihr der Offizier den Gefallen und brannte das Dorf nieder. Nur wenige Einwohner entkamen dem Gemetzel.
    Die junge Blanche blieb ledig. Sie kaufte sich einen Hof in Pelote und lebte dort mit ihrer unehelichen Tochter, wie es hieß, nicht tugendsamer als ihre eigene Mutter. Nur hatten sich die Zeiten geändert. Es wurden keine Hexen mehr verbrannt.
    Aber wie ein roter Faden zogen sich die roten Haare und die fehlenden Trauringe durch die Geschichte. Selbst Odile Blanche, die Nicole Duval zu retten versuchte, entging diesem Geschick nicht.
    Sie aber schien auf die gleiche schreckliche Art sterben zu müssen wie ihre Vorfahrin. Denn die Reiter Manasses hetzten sie durch den schütteren Bergwald.
    Sensen sichelten durch die Luft, verfehlten sie knapp. Knochenhände knackten bedenklich bei jeder Anstrengung. Die Gerippe hielten sich in den Sätteln, als wären sie festgeleimt.
    Die wilde Jagd fegte den Hang hinunter.
    Und dann sah Bill Fleming plötzlich Nicole Duval.
    Sie war gestürzt. Hilflos lag sie am Boden und schaute über die rechte Schulter. Ihr Kleid hing ihr in Fetzen herunter.
    Nicole Duval streckte abwehrend die Hand aus.
    Ein Reiter brauste heran. Der Totenschädel grinste makaber. Zahnlose Kiefer bleckten. Leere Augenhöhlen reflektierten den Mond.
    Die Sense erhob sich hoch über dem haarlosen Kopf des Gespensterreiters.
    Die mörderische Waffe pfiff durch die Luft.
    »Nein! Nein!« gurgelte der Amerikaner.
    Er hatte das Gefühl, zu ersticken.
    Die Klinge fetzte ins Ziel. Langsam kippte das liebliche Gesicht Nicole Duvals zurück. Der Kopf kollerte vom Rumpf, glatt abgetrennt.
    Eine Blutfontäne schoß hoch.
    Schlagartig fiel das Fleisch von den Knochen.
    Langsam erhob sich die Getötete, kopflos, und schritt zu Odile Blanche.
    Die Rothaarige bäumte sich in den Fesseln auf. Sie stand am Pranger hoch auf einem Reisigbündel.
    Nicole Duval – oder was von ihr übriggeblieben war – ergriff mit bleicher Hand eine Fackel, die neben dem Scheiterhaufen in die Erde gerammt worden war. Ohne Zögern setzte die Kopflose den Scheiterhaufen in Brand. Flammen züngelten empor. Rauch verhüllte gnädig die sich krümmende Gestalt dort oben, die das gleiche Schicksal erlitt wie ihre unglückselige Vorgängerin im Mittelalter.
    Die Skelette ringsum – zu Fuß oder zu Pferd – umringten das Opfer. Seltsam, daß diese fleischlosen Schädel und Knochengesichter Freude ausdrücken konnten.
    Und aus dem Schädel der Verbrannten schoß eine weiße Schlange, fegte unbekümmert durch schwelende Reisigbündel und verschwand im Unterholz, unbehelligt von den Gerippen, fast nicht zur Kenntnis genommen. Selbst Nicole Duval reagierte nicht. Dabei wußte sie um das Symboltier der ›Sekte der Verzehrenden Wahrheit‹.
    Bill Fleming stöhnte wie unter einer Zentnerlast. Er versuchte die Augen zu schließen, um den Schreckensbildern zu entgehen.
    Und aus roten Nebeln erhob sich Manasse und beugte sich grinsend über den hilflosen Amerikaner…
    ***
    Entsetzt stellte Professor Zamorra fest, daß er zu spät gekommen war. Nicole Duval und

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