0009 - Der Hexenmeister
gebrandmarkt für den Rest ihres Lebens und durch tausend teuflische Eide zur Zusammenarbeit mit Manasse verpflichtet. Wir kennen einige der Helfer der Sekte – wahrscheinlich nicht alle. Sie sind Verbindungsleute zwischen den Jenseitigen und uns Lebenden. Sie arbeiten für Manasse und führen ihm Opfer zu, um seinen unersättlichen Rachedurst zu mästen. Sie sind wahrscheinlich einer Art Gehirnwäsche unterzogen worden. Sie kennen keine Ehrlichkeit, kein Mitleid und kein Erbarmen. Sie sind dort oben in reißende Bestien verwandelt worden!«
»Dann sitzt der Feind also nicht nur in der Basilika, sondern bereits im Dorf«, stellte Professor Zamorra sachlich fest. »Nun, auch das kann mich von meinem Entschluß nicht abbringen. Ich fühle mich verpflichtet, Bill Fleming aus den Klauen des Bösen zu befreien. Und ich werde es tun!«
Zamorra erfuhr, wer die rote Hexe war. Odile Blanche. Und er erfuhr auch von Armand Babeuf, dem Gastwirt, den jeder in Pelote nur Armand rief. Dieser Bursche war zweifellos ein Spion Manasses und hatte den Auftrag, Nicole Duval zur Kirchenruine zu verschleppen und sie seinem gespenstischen Herrn und Meister auszuliefern.
Manasse fühlte sich bedroht von allen, die seinen blutigen Spuren nachgingen, versuchten, das schreckliche Geheimnis der Basilika zu lüften. Hatte er nicht schon versucht, Professor Zamorra ins Unglück zu stürzen? Sicher ahnte Manasse, welch gefährlicher Gegner ihm in Gestalt Zamorras gegenüberstand.
Zamorra war eine Kapazität auf dem Gebiet des Übersinnlichen.
Wenn er kein Mittel gegen den Terror der Loge fand, gab es keins.
Dann war dem Treiben der Mysterienbrüder, ihrer ewigen Rache an der Menschheit, kein Einhalt mehr zu gebieten…
***
»Ein Flugzeug! Ein Flugzeug!« jubelte Nicole Duval. »Das ist Professor Zamorra. Ich spüre es. Das bedeutet Rettung in höchster Not!«
Odile Blanche ließ sich nicht von der Begeisterung ihrer Besucherin anstecken, die vor Armand geflüchtet war und ausgerechnet bei der Unterschlupf gefunden hatte, die im Dorf nur die rote Hexe genannt wurde. Sicherlich nicht nur wegen ihrer flammendroten Haare.
»Bleib hier«, bat Odile Blanche ihre neue Freundin, deren Vertrauen sie inzwischen gewonnen hatte. »Ich gehe hinaus und schaue nach dem Rechten. Ich wünschte, ich könnte genauso an den Professor glauben wie du. Leider werde ich sehen, daß er aus Fleisch und Blut ist, ein gewöhnlicher Sterblicher, der nichts ausrichten kann gegen die dämonische Macht eines Manasses, der selbst den Tod besiegt hat.«
»Aber was ist mit Armand? Wird er dir nichts antun, sobald du die geweihten Grenzen verläßt?« fragte Nicole erschrocken.
»Er hat keine Gewalt über mich«, sagte Odile Blanche. »Deshalb hat er ja so unglaubliche Gerüchte über mich in Umlauf gesetzt, um mich zu isolieren. Ich war auch oben. Und ich bin zurückgekehrt, ohne zu den heimlichen Helfern des schwarzen Abtes zu gehören. Seitdem haßt mich Armand. Aber er kann mir nichts tun. Ich fürchte ihn nicht. Ich habe Angst vor Manasse – sonst vor niemandem auf der Welt. Was ich durchgemacht habe dort oben, als ich leichtsinnigerweise die Basilika betrat, macht mich immun gegen alle Schrecken und Ängste dieser Welt. Vielleicht wäre der Tod eine Erlö- sung.«
Furchtlos öffnete Odile Blanche die Haustür und überquerte den Hof, an dessen Tor Armand herumlungerte.
Knurrend wich der Gastwirt zurück. Drohend hob er die stählerne Armprothese. Aber er wagte den Streich nicht. Da war etwas, das Odile Blanche umgab wie eine schützende Mauer, sie einhüllte und barg. Hocherhobenen Hauptes schritt sie an dem Unglücklichen vorüber.
Armand raste in ohnmächtigem Zorn. Er stieß die wildesten Flüche und Drohungen aus, ohne seine Erzfeindin einschüchtern zu können. Unbeirrt setzte das Mädchen den Weg fort.
Odile Blanche erreichte einen Punkt, von dem aus sie das Geschehen beobachten konnte. So etwas wie Hoffnung erfüllte sie. Wenn Zamorra wirklich so ein Teufelskerl war, wie Nicole versichert hatte, warum sollte es ihm nicht gelingen, Manasse in die Schranken zu verweisen?
Schon der Name Zamorra weckte Hoffnung in Odile Blanche. Wie befreit fühlte sie sich, erlöst von jahrelanger Qual, von Gewissensbissen um den unglücklichen Fernand, den sie Manasse in die Arme getrieben hatte durch Leichtsinn und kindliche Überheblichkeit.
Dann aber kam der Rückschlag. Doppelt heftig, da unerwartet. Mit Entsetzen beobachtete Odile Blanche die mißglückte Landung,
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