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0009 - Der Hexenmeister

0009 - Der Hexenmeister

Titel: 0009 - Der Hexenmeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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zusammengestoßen, der eifersüchtig über sein Asyl wacht. Der Amerikaner ist längst erledigt, glauben Sie mir das, Monsieur. Wer den Aufstieg gewagt hat und in die Ruine eingedrungen ist, für den gibt es keine Rückkehr. Der ist für diese Welt gestorben. Vielleicht können Sie etwas für Ihre Sekretärin tun.«
    »Sie wissen also, wo sie ist?« fragte Zamorra scharf.
    Seine wachen grauen Augen fixierten den Bürgermeister. Der Blick nagelte den Eingeschüchterten fest.
    »Sie ist – bei der roten Hexe«, flüsterte Valadin.
    Ehe Zamorra eine neue Frage abschießen konnte, brach Romain Lassus in ein wildes Gelächter aus.
    »Ist hier ein Irrenkongreß?« brüllte der Pilot, der außer ein paar sehr dekorativen Schrammen auf der Stirn nichts abbekommen hatte und noch die orangefarbene Fliegerkombination trug. »Col de la Chutte! Manasse und die Loge der Verzehrenden Wahrheit! Die rote Hexe! Was denkt ihr denn, wo ihr seid? Im Mittelalter vielleicht? Sagt mir lieber, wo man hier einen anständigen Schluck bekommt. Ich will meine trotz allem glückliche Landung begießen.«
    Mit Kennerblick musterte Lassus die weiblichen Wesen, die ihn umstanden. Er entdeckte einige hübsche Gesichter und annehmbare Figuren. Da war manche Schöne, mit der er ein kleines Abenteuer gewagt hätte, schon um seinen unfreiwilligen Aufenthalt in Pelote aufzulockern. Sonst erwarteten ihn hier doch nichts als Schafherden, weite Heideflächen und Steinhänge. Da konnte sich ein Naturbursche wohl fühlen oder ein unverbesserlicher Romantiker für ein oder zwei Wochen, aber niemals einer, der von einem Urlaub in Biarritz träumte.
    Aber Lassus erhielt keine Antwort. Die Leute senkten die Köpfe, als schämten sie sich für den, der immer noch nicht begriffen hatte.
    Keiner der Dorfbewohner ging auf den heiterprovozierenden Ton des Piloten ein. Sie standen zu sehr im Bann der Basilika. Sie mußten mit diesem düsteren Geheimnis leben. Da genügte nicht ein forscher Ton. Da lag man nachts in den Kissen, schlaflos, und lauschte den unheimlichen Geräuschen, die von der Kirchenruine herunterdrangen wie die Drohungen des Teufels. Das erzog zur Demut, lehrte das Wissen um die eigene Hilflosigkeit gegenüber den Einflüssen des Bösen, der Rachedämonen, die Manasses entsetzlicher Fluch freigelassen hatte.
    Romain Lassus stieß renitent ein paar Umstehende zur Seite und stapfte querfeldein dem Dorf entgegen.
    »Bitte, Monsieur«, flüsterte der wohlbeleibte Bürgermeister Zamorra zu. »Sie gehören wohl zu den Eingeweihten. Das spüre ich. Sie sind nicht so überheblich wie dieser Flieger. Sie haben erkannt, daß es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen läßt. Sie nehmen Manasse und seine blutgierige Sekte nicht auf die leichte Schulter. Bitte, Monsieur, gehen Sie. Überlassen Sie uns und diesen Amerikaner dem Schicksal. Sie können das Übel nur noch vergrößern. Gegen die Mysterienbrüder gibt es keinen Schutz.«
    »Irrtum, Monsieur Valadin«, widersprach Zamorra. »Jedes Mittel bedingt ein Gegenmittel. Ich glaube es zu besitzen! Ich verspreche, daß ich nicht nur meinen Freund retten werde, sondern auch Manasses unheimliche Herrschaft über dieses Dorf beende. Ich mache Schluß mit diesem Dämonenspuk. Ich banne den Fluch des schwarzen Abtes.«
    Verzweifelt rang Valadin die Hände.
    Der Bürgermeister – gewohnt, den Kopf herunterzunehmen, sich den Wünschen des Unheimlichen zu beugen und ihm keines seiner Opfer streitig zu machen – war nicht zu überzeugen. Zu tief hatten Angst und Verzweiflung in seiner Seele Wurzeln geschlagen.
    »Führen Sie mich zu Nicole Duval. Ich muß als erstes meine Sekretärin sprechen. Ich vertraue ihrem Urteil. Vielleicht kann sie uns bereits wichtige Hinweise geben«, bat Professor Zamorra.
    »Sie hält sich zur Zeit im letzten Haus am jenseitigen Rand des Dorfes auf. Aber ich warne Sie! Armand Babeuf steht vor dem Gehöft und lauert auf seine Chance. Er will Ihre Sekretärin töten oder entführen.«
    »Wer, zum Teufel, ist Armand?« fragte Zamorra erstaunt.
    »Einer, der mit Manasse zusammenarbeitet«, gestand der Bürgermeister. »Es gibt verschiedene Männer hier im Dorf, die sich ähnlich stark fühlten wie vorhin der Pilot. Sie glaubten zwar an den Schatz der Albigenser, nicht aber an ihren Totenkult und den Fluch Manasses, des schwarzen Abtes der ›Loge der Verzehrenden Wahrheit‹. Sie wagten sich zur Basilika hinauf. Soweit sie tatsächlich zurückkehrten, waren sie

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