001 - Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus
Tiere zu steigern. Und
dieser Jemand war nicht damit zufrieden, dass die Tiere auf die Nacht
angewiesen waren. Er wollte sie auch am Tag einsetzen.
Warum wurde dieser Aufwand getrieben? Welchen Zweck erfüllte er?
Er kam nicht dazu, seine Gedanken zu Ende zu führen.
Er hörte Schritte auf dem Korridor. Larry Brent wirbelte herum. In der Hand
hielt er noch immer die Waffe.
Sein Gegenüber stand auf der Türschwelle. Er war in einen dunklen Umhang
gekleidet.
»Monsieur – Canol?«, fragte Larry leise, sich des Namens erinnernd, den er
draußen auf dem Schild gelesen hatte.
Der Mann nickte. »Doktor Canol«, erwiderte er hart. Seine dunklen Augen
glühten. Die Arme unter dem Cape bewegten sich. »Was machen Sie hier in meinem
Haus?«
»Ich habe die Türen unverschlossen gefunden. Da bin ich eingetreten,
eigentlich um zu telefonieren. Doch dann hatte ich die Befürchtung, es könnte
in diesem Haus etwas passiert sein ...«
Larry ließ während dieser Worte sein Gegenüber nicht aus den Augen. »Ich
hatte einen Zusammenstoß mit einer Fledermaus. Ich habe einen Toten gefunden
und wollte die Polizei verständigen, Monsieur Canol.« Er betonte jedes Wort.
Im bleichen Gesicht des Hausbesitzers zuckte es. »Verlassen Sie auf der
Stelle mein Haus! Sie hatten kein Recht, hier einzudringen. Ich werde die
Polizei benachrichtigen, ich ...«
Mit diesen Worten trat Canol zur Seite, um Larry Brent zu verstehen zu
geben, dass er gehen solle.
Larry betrat den düsteren Korridor. »Sie erlauben mir also nicht, dass ich
Ihr Telefon benutze?«
»Gehen Sie!«, zischte der Franzose.
Larry Brent senkte langsam die Waffe. Er fühlte beinahe körperlich den
Hass, den Canol ausstrahlte. Er wusste, dass der seltsame Hauseigentümer ihn
angegriffen hätte, würde er die Waffe nicht in Händen halten.
Der Biologe zog die Tür hinter sich zu. Um die Lippen des jungen,
sympathischen Amerikaners spielte ein kaum merkliches Lächeln. »Sie
beschäftigen sich mit interessanten Experimenten, Monsieur Canol. Ihre – Fledermauszucht
dürfte es in dieser Form wohl kaum ein zweites Mal auf der Welt geben. Ich
hoffe nur, dass Ihre Versuche nichts mit jenem Ungeheuer zu tun haben, das ich
– erschießen musste ...«
Da zuckte der Mann zusammen. Seine dunklen Augen schlossen sich zu einem
schmalen Spalt.
Larry Brent wandte sich zum Gehen. Seine Muskeln und Sinne waren aufs
äußerste gespannt. Er rechnete damit, dass Canol seine Gefühle nicht mehr
länger unter Kontrolle halten konnte und auf ihn lossprang.
Der Amerikaner war auf jede Gefahr eingestellt. Doch als sie dann eintrat,
kam sie von einer Seite, die er nicht in sein Kalkül einbezogen hatte.
Hinter einer hohen, schmalen Vase löste sich ein Schatten.
Larry begriff noch, dass er es in diesem Moment nicht mehr nur mit Canol zu
tun hatte, sondern mit noch jemandem, von dessen Anwesenheit er bis zu dieser
Sekunde nichts geahnt hatte.
Er riss die Waffe in die Höhe, doch im gleichen Augenblick krachte ein
schwerer, langer Gegenstand auf seinen Kopf.
Wie vom Blitz gefällt stürzte Larry Brent zu Boden.
●
Er wich unwillkürlich zwei Schritte zurück, als die Gestalt auf ihn zukam.
Der Biologe schluckte heftig, als er erkannte, aus welcher Tür der rätselhafte
Besucher kam.
Der Fremde kannte den Weg zu den Gewölben!
Ein leises Lachen drang an Canols Ohren. Er sah die Gestalt, die unter
einem schwarzen Mantel einen weißen Kittel trug, direkt auf sich zukommen.
Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er geglaubt, Professor Bonnard vor
sich zu haben. Denn nur Bonnard und er kannten den geheimen Stollen. Doch der
Mann in dem weißen Kittel war nicht Bonnard. Er bewegte sich anders.
»Ich bin kein Geist, Canol«, sagte eine harte, unpersönliche Stimme. Die
hatte er schon gehört. Das war der Mann gewesen, dem er in Bonnards Labor
begegnet war. Dieser Mann hatte am Schalttisch vor den Fernsehschirmen
gesessen, dieser Mann hatte ihm den Blick in den Sonderraum verwehrt, in dem
das erstaunlichste und faszinierendste Experiment des Jahrhunderts stattfand.
Der Fremde war fast so groß wie Bonnard, hatte dessen Figur, die breiten
Schultern erinnerten an den Professor – doch die Haltung war eine andere. Und
auch die Stimme, die der andere jetzt nicht mehr länger zu verstellen brauchte.
»Wer bist du ... sind Sie?« stotterte Canol.
Der andere schien die Frage gar nicht bewusst aufgenommen zu haben. Er
hielt noch immer den langen, dicken Knüppel in der Hand, mit dem er
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