001 - Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus
Larry Brent
zu Boden gestreckt hatte. »Ich bin gerade zur rechten Zeit gekommen, Canol.
Dieser Mann darf das Haus nicht lebend verlassen. Er hat zu viel gesehen, er
weiß zu viel! Ich hatte gehofft, dass du ihn ausschalten würdest, als ich dich
darauf aufmerksam machte.«
»Er war – bewaffnet.« Er ärgerte sich über seine eigene Reaktion.
Eigentlich wollte er etwas ganz anderes sagen.
»Heute Abend scheinen wir kein Glück mit unseren Unternehmen zu haben. Zwei
Infrarotlinsen sind ausgefallen, sie müssen spätestens morgen repariert werden.
Ich habe nur über die Hälfte des Anwesens Bildkontrolle. Mindestens zwei
Fledermäuse, Canol, sind überfällig. Der Vampir, der den Auftrag hatte,
Kommissar Sarget auszuschalten, ist nicht mehr erreichbar. Die
Ultraschallimpulse kommen nicht beim Empfänger an ...«
Canol starrte sein Gegenüber aus großen Augen an. Ihrer Begegnung hier in
dem dämmrigen Korridor haftete etwas Gespenstiges an.
»Was haben Sie mit Bonnard gemacht?«, fragte Canol mit rauer, tonloser
Stimme. »Wieso wissen Sie so viel über das ... Experiment? Über die
Fledermäuse? Ich ...«
Der Unbekannte unterbrach ihn. »Warum so viele Fragen? Bisher haben wir gut
zusammengearbeitet, und ich hoffe, dass dies auch weiterhin so bleiben wird.
Das dürfte doch auch in deinem Interesse liegen, nicht wahr? Denk' an das
Experiment und vor allem auch an die Polizei! Alles wird auf dich zurückfallen,
wenn jetzt der geringste Verdacht aufkommt. Wir müssen weiterhin sehr
vorsichtig sein ...«
Von der Stirn des Biologen tropfte der Schweiß. Canol wusste nur zu gut,
wie recht der unbekannte Gesprächspartner mit seinen Worten hatte. Er steckte
zu tief im Dreck, um jetzt noch zurück zu können. Die Versuchsanlage in seinem
Haus, die Fledermäuse – das alles konnte ihm das Genick brechen, wenn auch nur
das Geringste an die Öffentlichkeit drang. Er musste weiter mit den Wölfen
heulen. Er wurde erpresst, und er konnte nichts dagegen tun.
»Die Zusammenarbeit mit Bonnard ...«, begann Canol und wollte die Dinge zur
Sprache bringen, die ihm auf dem Herzen lagen. Aber weiter kam er nicht.
Der Fremde stand ihm genau gegenüber.
Der Biologe sah die Umrisse des Gesichtes, die Form der Augen und erkannte
die große Ähnlichkeit mit Bonnard – aber er begriff, dass dieser Mann vor ihm
nie Professor Bonnard sein konnte.
Er war und blieb ein Fremder für ihn, den er nie zuvor in seinem Leben
gesehen hatte.
»Ich bin Bonnard, Canol! Und wir beide werden unser Werk fortsetzen, nicht
wahr?« Der Mann vor ihm senkte den Knüppel, umfasste ihn mit harter Hand, dass
die Knöchel weiß hervortraten.
Canol nickte mechanisch. Sein Herz pochte. »Ja«, nickte er rau. »Wir werden
unser Werk fortsetzen ...«
»Gut. Dann wollen wir auch keine Sekunde mehr vergeuden. Durch einen
unerwarteten Zufall wurde dieser Mann dort«, Bonnard zeigte mit dem Knüppel
hinter sich auf Larry Brent, ohne sich umzudrehen, »mit einigen Dingen
konfrontiert, die er besser nicht gesehen hätte. Man darf nicht nach diesem
Mann suchen, man darf nicht herausfinden, dass er in deinem Haus war. Wir
müssen ihn uns vom Hals schaffen. Und das so geschickt, dass niemand auf den
Gedanken kommt, es könne ein Mord sein. Es wird ein Unfall sein, Canol! Das
Auto des Fremden wird brennen. Und er hatte das Pech, zur gleichen Zeit drin zu
sitzen ...«
●
Bonnard wandte sich um und ging auf die schmale Seitentür zu, von der aus
eine Anzahl Steinstufen in einen Keller führten. An der obersten Stufe wandte er
sich noch einmal um und blickte durch den dunklen Korridor auf den immer noch
unbeweglich stehenden Canol.
»Im Übrigen – der Gewölbegang ist wieder frei. Die letzte Zuchteinheit
befindet sich jetzt in den Höhlen. Das bedeutet, dass du nicht mehr den umständlichen
Umweg zu meinem Gehöft machen musst. Du kannst von deinem Haus aus den direkten
Weg benutzen. Durch den Stollen, der unsere beiden Grundstücke durch den Berg
verbindet ...«
Mit diesen Worten verschwand Bonnard.
»Aber wer ... wer sind Sie?« rief Canol ihm nach. Seine Stimme hallte durch
den dunklen Korridor.
Der Angesprochene drehte sich noch mal auf der Kellertreppe um und lachte
leise. »Ich bin – Bonnard. Für dich bin ich Professor Bonnard«, klang es dumpf
und spöttisch aus der Tiefe des dunklen Ganges.
Dann schloss sich knarrend die Tür.
Sie war mit bloßem Auge praktisch nicht mehr wahrnehmbar, weil sie mit der
streng gemusterten Tapete eine
Weitere Kostenlose Bücher