001 - Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus
einheitliche Fläche bildete. Niemand wäre auf
den Gedanken gekommen, dass an dieser Stelle eine Tür in einen verborgenen
Stollen führte.
Canol löste sich aus seiner Erstarrung.
Er blickte auf den wie leblos daliegenden Körper Larry Brents. Der Biologe
befand sich in einem Aufruhr von Gefühlen, derer er nicht Herr wurde. Wie eine
Marionette bückte er sich und schleifte den Körper nach draußen.
Das rote Cabriolet des Eindringlings stand vor dem weit geöffneten,
schmiedeeisernen Tor. Keine hundert Meter dahinter auf einem nach links
abbiegenden Seitenweg hatte Canol seinen Citroën in der Dunkelheit abgestellt. Er
war auf dem schnellsten Weg ins Haus zurückgekehrt, als er durch Bonnard
vernahm, dass dort jemand eingedrungen war.
Bonnard!
Canol fühlte ein Kribbeln auf der Haut, wenn er daran dachte, dass Bonnard
gar nicht Bonnard war, sondern ein Fremder, der eine ständige Kontrolle über
die nähere Umgebung hatte und über alle Forschungsergebnisse verfügte ...
Wie lange ging dieses seltsame Spiel schon, ohne dass er es bemerkt hatte?
Es konnte noch nicht lange sein. Eine gewisse Veränderung im Wesen des
Professors war ihm eigentlich erst heute Abend aufgefallen. Die Tatsache, dass
ihn Bonnard aus der Forschungsstation wegschickte, ohne dass er einen Blick auf
sie werfen konnte, hatte ihn verärgert. Mit diesem Ärger war er davongefahren.
Immer stärker fühlte er, dass er in eine zweitrangige Stellung gepresst
wurde. Seine dünnen Lippen kräuselten sich. Wütend warf er den Umhang von den
Schultern, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben.
Er hob Larry Brent in das Cabriolet und setzte ihn hinter das Steuer.
Larrys Kopf fiel schwer und kraftlos auf das Lenkrad. Canol schob den Körper
auf den Beifahrersitz, setzte sich dann selbst hinter das Steuer, löste die
Bremse und ließ das unbeleuchtete Fahrzeug langsam den Weg hinabrollen.
Mit ernster, verbissener Miene handelte der Franzose. Canols Hand sah aus
wie über die Knochen gespanntes Pergament. Sie war nicht mehr bleich, sie
schien durchsichtig zu sein.
Er hatte so viele Opfer, so viele Entbehrungen auf sich genommen. Er
spürte, wie Wut, Hass und Zorn in ihm aufstiegen. Er war zum Handlanger
geworden, zum Mörder. Wer war der Fremde, der sich als Bonnard ausgab und der
nicht Bonnard war? Was war aus Bonnard geworden? Wie war der andere an die
Anlagen gelangt? Hatte Bonnard einen heimlichen Mitarbeiter gehabt, von dem
Canol von Anfang an nichts gewusst hatte? Hatte ihn der wirkliche Bonnard
vielleicht schon hintergangen?
Der Biologe wurde von Fragen und tausend Zweifeln gequält.
Er musste Gewissheit haben. Und er würde sich diese verschaffen.
Doch er musste auf der Hut sein. Er wusste, er war kein Kämpfer. Er war
labil, ließ sich leicht manipulieren und – er war ein weltfremder Sonderling,
der sich vor vielen Jahren von den Menschen und der Welt zurückgezogen hatte,
um sich ganz seiner Forschung zu widmen. Ein kleines Vermögen gab ihm die
Möglichkeit, sich dieses außergewöhnliche Leben zu leisten. Er verstand nämlich
nur von einem etwas: Fledermäuse zu züchten.
Verbissen saß Canol hinter dem Steuer und dachte darüber nach, wie und was
er alles tun wollte. Doch zuerst musste er sich von dem unangenehmen Auftrag
befreien, den er erhalten hatte.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als den Befehl seines geheimnisvollen
Auftraggebers auszuführen. Er wollte nicht töten, und doch wurde er zum Mord
gezwungen. Er warf einen flüchtigen Blick auf den reglosen Körper an seiner
Seite. Der Fremde rührte sich nicht mehr. Er war vielleicht schon tot ... dann
brauchte sich Canol keine Vorwürfe zu machen.
Es gab etwas in seinem Bewusstsein, das stärker war als alle Skrupel. Es
war der Gedanke an den Plan, den er und Bonnard verwirklichen wollten und der
einmalig in der Geschichte der Menschheit sein würde.
Er steuerte den rückwärts rollenden Wagen über die Asphaltstraße und fuhr
nach etwa hundert Metern auf ein steiniges, mit steppenartigem Gras bewachsenes
Grundstück. Der Boden führte leicht abwärts.
Canol bremste.
Er zog Larry Brent an das Steuer, durchsuchte die Taschen des Amerikaners
und fand ein Feuerzeug. Das knipste er an und warf es auf den Rücksitz. Er
wartete, bis das Polster zu qualmen anfing.
Dann erst löste er die Handbremse, schlug die Tür zu und hob den Wagen kurz
an. Lautlos begann das Cabriolet fortzurollen.
Schwacher Feuerschein zeichnete sich hinter den Fenstern ab. Dann wurden
die Flammen
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