001 - Der Gott aus dem Eis
er.
Die Mulde war voller Lebewesen. Matt zählte etwa sechs, sieben Menschen in Fellen, zerfetzten Stoffumhängen oder nackt. Männer, Frauen, ein Kind. Einige sahen ihn aus weitaufgerissenen Augen an.
Hoffnung und Angst flackerten in diesen Augen. Andere stierten apathisch vor sich hin.
Insekten schoben sich an den steilen Wänden der großflächigen Vertiefung entlang. Insekten, die Matt nie zuvor gesehen hatte…
Käfer, groß wie Hunde. Die Taratzen hatten ihnen die Flügel abgeschlagen.
Massen von fliegenartigen Wesen, schwarz und pelzig und groß wie Gänse mit zerfetzten Flügeln und teilweise abgerissenen Beinen zappelten sie auf dem Grund der Mulde. Beinlange Falter, denen man die Flügel zusammengebunden hatte, versuchten die steilen Wände hinauf zu krabbeln. Taratzen mit langen Stangen gingen am Rand der Mulde entlang und stießen sie zurück.
Auch zwei Frekkeuscher sah Matt im Halbdunkel kauern. Wie klagend schaukelten sie ihre riesigen Köpfe hin und her. Undeutlich nahm Matt ihre zertrümmerten Sprungbeine und zerschlagenen Flügel wahr.
Zwischen den Insekten und den Menschen bewegten sich Säugetiere. Weißpelzige Primaten erkannte Matt, fast menschengroß. Und Tiere, die ihn durch Größe und Gestalt an Rinder erinnerten.
Kurze stumpfe Hörner ragten aus ihren Köpfen und ihr Fell hing zottelig bis fast auf den Boden hinab. Und überall sah Matt starre Flügel, abgerissene Insektenbeine, Knochen und menschliche Skelette herumliegen…
Der Weißpelz neben ihm deutete mit weitausladender Geste auf das Schreckensszenario unter ihnen. Als wollte er stolz seinen Besitz präsentieren. Er krächzte ohne Unterlass. Matt blickte ihn an ja, die Bestie schien bester Dinge zu sein. Etwas wie ein Grinsen lag auf ihrer rattenhaften Grimasse.
Matt schloss die Augen und wandte sich ab. Ekel schüttelte ihn. Kein Alptraum konnte schlimmere Bilder heraufbeschwören. Er machte sich nichts vor: Was ihm der König der Taratzen da präsentierte, war kein Privatzoo. Es war… die Speisekammer seines Stammes.
Matts Magen drehte sich um. Er lehnte sich, gegen die Höhlenwand.
Die Stirn in den kühlen Lehm gepresst, atmete er ein paar Mal tief durch.
Das Krächzen hinter ihm wurde lauter. Er drehte sich um. Der Taratzenkönig deutete in die Kuhle hinein, auf einen in Felle gehüllten Mann. Vier Taratzen stürzten sich in die Mulde und packten den Mann. Er schrie und schlug verzweifelt um sich, doch sie schleuderten ihn einfach aus der Mulde heraus.
Rraar setzte ihm den Hinterlauf auf die Brust und zog ihm seine Knochenkeule über den Kopf. Der Mann verlor augenblicklich das Bewusstsein.
Gnädigerweise. Denn im nächsten Moment beugte der Rattenkönig sich hinab und biss ihm mit einem schmatzend knirschenden Geräusch die Kehle durch.
Das Entsetzen überfiel Matt wie ein Fieberschauer. Er wandte sich ab und übergab sich.
Nachdem die weißpelzige Bestie ihren Hunger gestillt hatte, führten sie Matt aus der Höhle heraus. Er wankte neben dem munter krächzenden Rraar her und hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten.
Plötzlich verstummte der Rattenkönig.
Matt bemerkte, dass sich die Felle der Taratzen vor ihm sträubten. Vor einem auffallend hohen Höhleneingang blieben sie stehen. Die Fackelträger leuchteten hinein und fauchten, und Rraar stimmte ein wütendes Gekreische an.
Er bedeutete Matt, in die Höhle hineinzuschauen. Matthew schluckte und beugte sich zwischen den beiden Fackelträgern durch. Der Lichtschein fiel auf einen schwarzbraunen Körper von der Masse eines Elefanten.
»Bei Gott«, stöhnte Matt, »was ist das für ein Alptraum…?« Er sah zwei Klauen wie die eines Raubvogels. Rostige Ketten verbanden sie mit zwei Holzpflöcken. Je zehn Schritte von dem Tier entfernt hatte man die Pflöcke in den Boden getrieben.
Matt erkannte schuppenartiges Gefieder. Flügel hingen gebrochen auf den von Kotballen verschmutzten Boden. Gelbe Augen mit einem senkrechten schmalen Strich in der Mitte leuchteten über Matt.
Eulenaugen, dachte er. Und das vom Fackelschein erleuchtete Vogelgesicht erinnerte Matt tatsäçhlich an eine Eule. Ein gekrümmter Schnabel ragte aus dem Schuppengesicht hervor.
Matt wich in den Gang zurück. Mit einem Zipfel des Fellumhangs wischte er sich den kalten Schweiß von der Stirn. Er glaubte zu wissen, was Rraar ihm zeigen wollte: die Gattung seines Erzfeindes.
Später gelangten sie in eine kuppelförmige Höhle. Viele Gänge mündeten in sie hinein, einer sogar oben in
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