0011 - Das Todesschloß
Duval war ein ausnehmend erfreulicher Anblick. Professor Zamorras Sekretärin trug ein violettes Vormittagskleid, das den Ansatz ihrer Brüste sehen ließ.
Ihre Augen funkelten amüsiert, als die Blicke des Earls sich dorthin verirrten. Sie wäre keine Französin gewesen, wenn sie diese stille Bewunderung nicht genossen hätte.
»Aber ich muß gestehen«, fuhr der Earl schmunzelnd fort, »Ihre Sekretärin, Professor, ist auch ein Kleinod.«
Er begrüßte auch Nicole Duval.
Nicole antwortete nicht auf dieses Kompliment, und der Earl hatte das auch gar nicht erwartet, denn er wandte sich wieder Professor Zamorra zu, seinen Blick nur widerwillig von der diesmal rothaarigen Französin reißend. »Fühlen Sie sich in Exmoor Castle wie zu Hause. Sie werden eine Menge Sehenswertes entdecken.«
»Da bin ich vollkommen sicher. Doch noch mehr freue ich mich darüber, endlich einmal mit Ihnen persönlich zusammenzutreffen.«
»Wegen meines Buches? Ach, das ist doch nicht der Rede wert. Auf dem Gebiet der Gespenster und Dämonen bin ich, im Vergleich zu Ihnen, nur ein armseliger Amateur, der Ihnen nicht das Wasser reichen darf. Wenn Sie mir wegen meiner schriftstellerischen Ergüsse ein Kompliment machen, dann muß ich Ihnen das zwei- und dreifach zurückgeben. Ich habe Ihre Werke gelesen, die Sie geschrieben haben, als Sie noch drüben in New York einen Lehrstuhl für Parapsychologie innehatten. Doch wie ich hörte, haben Sie sich ganz auf das Schloß de Montagne zurückgezogen. Liegt es nicht im Loire-Tal?«
»Ja«, meinte Professor Zamorra. »Aber ich habe mich dort keineswegs abgekapselt. Sie sehen, daß ich Ihre Einladung, an der Verlobung Ihrer Tochter teilzunehmen, angenommen habe. Aber ich forsche nun einmal auf einem Gebiet, das sich manchmal mit der Hektik der übrigen Welt nicht ganz verträgt. Château Montagne ist ein geeigneter Aufenthaltsort für die Durchführung solcher Studien.«
»Ich beneide Sie um die Ruhe, die Sie dort haben müssen. Exmoor Castle ist bestimmt der reinste Hexenkessel dagegen. Sie glauben nicht, wieviel Wirbel die Verlobung der einzigen Tochter verursachen kann.«
»Hören Sie nicht auf ihn«, sagte eine kleine rundliche Frau von etwa fünfundfünfzig Jahren. Sie hatte sich neben den Earl gestellt.
»Wenn jemand Unruhe in dieses Haus bringt, dann ist es allein mein lieber Gatte. Je älter er wird, um so mehr Verrücktheiten kommen ihm in den Sinn.«
»Sie haben es schon gehört«, lächelte der Earl verschmitzt. »Das ist meine gute Rosalinda, meine gute Fee. Nur hat sie in der letzten Zeit in ihrer Güte gewaltig nachgelassen. Seit neuestem will sie mir nicht einmal mehr den Rum in dem Frühstückstee gönnen.«
»Glauben Sie ihm kein Wort«, lächelte auch Rosalinda of Blakeborne. »Ernest hat sich von Kindesbeinen an allen Erziehungsversuchen erfolgreich widersetzt. Außerdem hat er noch nie Tee mit Rum getrunken, sondern immer nur Rum mit einem Schuß Tee.«
»Daß Frauen immer gleich so maßlos übertreiben müssen«, meinte der Earl mit wissendem Lächeln. »Aber nachdem Sie jetzt einen tiefen Blick in unser Eheleben getan haben, möchten wir Sie nicht länger damit langweilen. Darf ich Ihnen zum Willkommen ein Glas Sherry reichen?«
Rosalinda machte ein gespielt essigsaures Gesicht. »Du mußt wohl jede Chance nützen, um zu einem Tropfen Alkohol zu kommen?«
»Man muß die Feste feiern, wie sie fallen«, gab Ernest Earl of Blakeborne zurück. »Und ich betrachte es als Fest, wenn Professor Zamorra mit seiner reizenden Begleiterin in unseren Mauern weilt. Darf ich Sie jetzt bitten?«
Rosalinda seufzte ergeben, doch dann schenkte sie selbst drei Gläser voll.
»Du willst nicht mittrinken, Liebes?«
»Du weißt genau, daß ich jede Art von Alkohol verabscheue.«
Der Earl schüttelte den Kopf. »Es grenzt beinahe an Blasphemie, diesen herrlichen alten Sherry als bloßen Alkohol abzutun. Greifen Sie zu, Miss Nicole. Und Sie auch, Professor. Bevor meine Frau es sich wieder anders überlegt und den Schlüssel zum Barschrank versteckt wie vor zwei Wochen.«
Professor Zamorra schmunzelte. Er hatte schon viel von dem Earl gehört. Es war ein offenes Geheimnis, daß er seinen Titel gern an den Nagel hängte und sich auch einmal ins Dorf begab, um dort mit den Bauern im Pub tüchtig einen hinter die Binde zu gießen. Nicht zuletzt deshalb war er bei der Bevölkerung so überaus beliebt. Seine Beliebtheit war auch auf die Tochter übergegangen.
Sie prosteten sich zu.
»Auf
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