0011 - Der Irre mit der Teufelsgeige
in einem direkten Zusammenhang standen.
***
Bis Kilburn war es eine ganz schöne Strecke. Ich musste durch halb London. Richtung Nordwesten. Vorbei an den beiden großen Parks. Hyde Park und Regents Park. Über die breite Edgeware Road durchquerte ich den Ort Paddington und fuhr über die Brücke, die den Endpunkt der Westautobahn – bei uns Motorway genannt – bildet. Rechter Hand lag der Regent Park, der von zahlreichen Straßen durchzogen wird.
In Kilburn trifft man schon auf das ländliche London. Kleine, niedrige Häuser wechseln ab mit idyllisch gelegenen Villen und Landhäusern.
Die Salisbury Road gehört zu den Durchgangsstraßen. Das Revier fand ich schnell. Zwei Streifenwagen parkten davor.
Inspektor Eagle erwartete mich in seinem spartanisch eingerichteten Büro. Er war ein noch junger Mann und saß unter dem Bild der huldvoll lächelnden Queen.
Der Inspektor begrüßte mich mit einem kräftigen Händedruck. »Ich freue mich, einen so berühmten Kollegen kennen zu lernen«, sagte er. Seine Stimme klang dabei ehrlich.
Ich winkte ab. »Das meiste ist sicherlich übertrieben.«
Eagle lächelte. »Ich weiß nicht.« Er deutete auf einen Besucherstuhl mit harter Sitzfläche. »Nehmen Sie bitte Platz.«
Auch er setzte sich wieder. Eagle trug einen Glencheckanzug, ein unifarbenes beiges Hemd und einen Strickbinder. Sein dichter Oberlippenbart war ebenso schwarz wie sein linksgescheiteltes Haar.
Inspektor Eagle hatte die Akte schon bereitliegen. »Möchten Sie selbst lesen, oder soll ich Sie in Stichworten informieren?«
»Ich lese selbst.«
Eagle übergab mir die Akte. Zwanzig Minuten benötigte ich, dann hatte ich alles Wesentliche erfasst.
Nach Zeugenaussagen musste Jane Collins die Party gegen drei Uhr morgens verlassen haben. Der Gastgeber hatte sie noch bis zur Tür gebracht. Was dann geschehen war, konnte man nur vermuten. Ein gewisser Mark Ranger, der Jane schon auf der Party nachgestellt hatte, musste draußen auf sie gelauert haben. Spuren zeigten an, dass Jane wie auch Ranger in den Park hineingelaufen waren.
Aber aus welchem Grund? Bestimmt nicht, um ein Schäferstündchen zu halten, denn im Haus hatte sich Jane Collins Ranger gegenüber ziemlich abweisend verhalten.
Der ganze verdammte Fall blieb rätselhaft. Auch Mark Rangers Tod. Eine Untersuchung hatte ergeben, dass er mit einem spitzen Gegenstand ermordet worden war. Der Arzt meinte, mit einer langen dicken Nadel oder einem Speer.
Seltsame Spuren waren gefunden worden. Federn von Vögeln zum Beispiel. Der Boden war aufgewühlt und aufgehackt worden. Dieser Vorgang war ebenso rätselhaft wie die gesamte Entführung.
Warum hatte dieser Unbekannte die Detektivin gekidnappt? Um mich unter Druck zu setzen? Ein anderes Motiv konnte ich mir nicht vorstellen, denn so vermögend war Jane nicht, dass sich eine Entführung samt Erpressung lohnte.
Inspektor Eagle lachte leise auf. »Ich sehe schon, Mr. Sinclair, Sie blicken auch nicht durch.«
Ich klappte die Akte zu. »Im Moment nicht.«
Eagle stopfte sich gelassen eine Pfeife. »Haben Sie denn einen Verdacht, wer hinter dieser Sache stecken könnte?«
Ich schüttelte den Kopf.
Eagle blies gelassen zwei dicke Rauchwolken aus dem rechten Mundwinkel. »Wir werden den Fall selbstverständlich ebenfalls verfolgen«, sagte er. »Durch den Mord an Mark Ranger sind wir dazu gezwungen. Ein faires Angebot: Wir arbeiten nicht gegeneinander, sondern marschieren getrennt und schlagen vereint zu. Beliefern uns auch mit Informationen. Sollte der eine etwas Entscheidendes herausgefunden haben, teilt er es dem andern mit. Ich finde, auf dieser Basis lässt sich arbeiten.«
»Natürlich.« Ich nickte. »Nur – Sie wissen von meinem Job, Mr. Eagle. Ich bearbeite keine normalen Fälle, und es kann Ihnen und Ihren Männern passieren, dass sie mit Dingen konfrontiert werden, die nicht mit dem reinen Verstand zu begreifen sind.«
Eagle lächelte. Dabei drehte er die Pfeife zwischen den Fingern. »Ich kenne natürlich Ihren Ruf, Mr. Sinclair. Und ich bin gespannt darauf, ob es sich wirklich so verhält, wie immer erzählt wird. Ich möchte mit Ihnen vorurteilsfrei zusammenarbeiten, natürlich nur, wenn es sich machen lässt.«
Für meinen Geschmack entwickelte Inspektor Eagle zuviel Sensationsgier. Vielleicht hoffte er auch auf eine Beförderung.
»Selbstverständlich steht einem Informationsaustausch nichts im Wege«, erwiderte ich. »Nur muss ich Sie warnen, Mr. Eagle. Unterschätzen Sie bitte die
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