0011 - Der Irre mit der Teufelsgeige
Schnäbel hackten auf sie ein, zerrten an der Kleidung, rissen die Haut auf, fügten ihr leise, blutende Wunden bei.
Jane schrie, schlug um sich, warf sich zu Boden, presste ihr Gesicht in die feuchte Erde und merkte gar nicht, dass die Tiere schon längst von ihr abgelassen hatten. Sie belauerten sie nur noch, flatterten wie Wächter über ihrem Körper.
Kaum zu vernehmende Schritte näherten sich. Der Teufelsgeiger kam. Er hatte sich sein Instrument unter den linken Arm geklemmt, bückte sich und zog Jane Collins mit der rechten Hand hoch.
Die Detektivin war mit ihren Nerven am Ende. Sie schluchzte. Tränenbäche rannen über ihre Wangen.
Dann vernahm sie eine Stimme dicht neben ihrem linken Ohr. »Dich habe ich, auch wenn mir der andere entwischt ist. Denke immer daran, der Schwarze Tod schläft nicht. Er ist überall. Überall…«
Der Geiger schleifte Jane mit. Die Schuhe hatte sie längst verloren, ihre Fußspitzen zogen Spuren in das feuchte Erdreich.
Der Geiger wandte sich dem Ausgang zu. Das eiserne Gittertor stellte für ihn kein Hindernis dar. Er hatte es schon vorher geöffnet.
Vor dem Haus parkte ein pechschwarzer Citroën DS 21. Der Geiger öffnete die hintere rechte Tür und stieß Jane Collins in den Fond. Er schlug die Tür wieder zu und schloss ab. Er selbst setzte sich hinter das Lenkrad, drückte einen Knopf, und im nächsten Augenblick schob sich eine dicke Glasscheibe zwischen Fahrersitz und Rückbank.
Ein weiterer Knopfdruck. Aus einer Düse schoss ein farbloses Gas. Nur das leise Zischen war zu hören.
Erst jetzt kam Jane Collins wieder richtig zu sich. Sie setzte sich auf, merkte in den ersten Sekunden nicht, wo sie war. Als sie sich ihrer Situation bewusst wurde und den Rücken des Fahrers sah, da war es schon zu spät. Das Gas wirkte bereits.
Jane spürte die Müdigkeit und hatte das Gefühl, Blei in den Knochen zu haben. Sie kroch über den Sitz auf die Tür zu. Die Finger tasteten nach dem Riegel, fanden ihn, konnten ihn jedoch nicht mehr bewegen.
Die Tür war verriegelt.
In einem letzten Impuls warf Jane ihren Körper hoch, trommelte gegen die Scheibe, doch nach zwei Schlägen rutschten ihre Hände ab. Bewusstlos fiel Jane Collins um. Das Gas hatte seine Wirkung voll entfacht.
Der unheimliche Geigenspieler jedoch fuhr ruhig weiter. Kein Autofahrer, der dem Citroën begegnete, merkte, dass hinter dem Steuer der schwarzen Limousine ein Mann ohne Gesicht saß…
***
An Schlaf war in dieser Nacht natürlich nicht mehr zu denken. Ich blieb im Büro. Zuerst rief ich bei mir zu Hause an. Suko meldete sich sofort.
»Alles klar«, sagte er. »Nur in der Küche ist es etwas kalt. Sonst hat aber niemand versucht, uns zur Hölle zu schicken.«
»Ist ja beruhigend«, erwiderte ich.
»Wie lange soll ich denn hier noch die Stellung halten?« wollte Suko wissen.
»Bis ich es dir sage.«
»Wünsche hast du.«
»Ja, man hat’s nicht leicht.«
Ich legte wieder auf. Dann dachte ich den Fall noch einmal durch. Ließ die vergangenen Ereignisse vor meinem geistigen Auge Revue passieren, und mir fiel auch mein Traum wieder ein.
Deutlich sah ich den riesigen Schwarzen Tod vor mir, wie er den Sarg in der Hand hielt, auf dem mein Name stand. Ich brauchte wirklich kein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass der Sarg für mich bestimmt war. Also hatte der Schwarze Tod mein Ableben schon vorprogrammiert.
Aber wer war der Geiger? War es unter Umständen der Schwarze Tod persönlich?
Soviel ich wusste, konnte er jede beliebige Gestalt annehmen. Unter Umständen sogar die eines Tieres oder eines toten anorganischen Gegenstandes.
Ich muss ehrlich gestehen, dass mir bei dem Gedanken daran verdammt flau im Magen wurde. Über dieses Gefühl half mir auch ein Scotland-Yard-Frühstück aus der Kantine nicht hinweg.
Zum Glück kam meine Sekretärin, Glenda Perkins, eine halbe Stunde vor Dienstantritt. Ihr Kaffee war ebenso berühmt wie ihre Rundungen.
Auch an diesem Morgen sah sie wieder richtig zum Anbeißen aus. Das schwarze Haar trug sie zu Korkenzieherlocken gedreht, der knallrote Rollkragenpulli saß äußerst knapp, und ein schwarzer Cordrock umschmeichelte die perfekt gewachsenen Beine.
Glenda wäre die glücklichste Frau auf der Welt gewesen, wenn sie mich zum Standesamt hätte schleppen können. Die Kleine war bis über beide Ohren in mich verknallt.
Ich gebe zu, sie war ein Mädchen, nach dem sich viele die Finger leckten, nur – Liebe im Büro ist nicht mein Fall. Das führt meistens
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