0012 - Der Dämonenknecht
beendete Don Marcelino das Thema. Kurz darauf saßen sie sich an der gedeckten Tafel, in einem nicht sehr großen, ungemütlichen Eßzimmer, das an das Empfangszimmer eines Leichenbestatters erinnerte, gegenüber. Maria de Almagro servierte ein mittelmäßiges Gericht und schenkte aus einer dickbauchigen Flasche süßen Malaga ein.
Zamorra wischte sich mit der Serviette über den Mund und lehnte sich auf dem mit rosa Brokatstoff überzogenen Stuhl zurück.
»Sie leben also mit Ihrer Tochter und diesem José so ziemlich von der Welt abgeschlossen hier auf dem Schloß.« Forschend blickte er Don Marcelino an.
»Ja, abgesehen von Señor Perez, der uns häufig besucht.«
Almagro wies mit der Hand auf den neben ihm sitzenden Historiker.
»Wissen Sie, Professor, das ganze Schloß ist ein Museum. Jeder Stein Geschichte. Santillana ist reich an Vergangenheit. Das ist eine wahre Fundgrube für mich«, erklärte Juan Perez.
»Mich interessiert eigentlich mehr die jüngere Vergangenheit. Ich glaube, daß dieses Schloß Geheimnisse birgt, die bis in das Heute hineinreichen«, brummte Zamorra.
»Sie spielen auf die verschwundenen Menschen an«, preßte Almagro hervor.
»Ja«, lautete Zamorras lakonische Antwort.
»Nun, wenn es Sie interessiert.« Don Marcelino berichtete höflich und mit leiser Stimme Dinge, die Zamorra eigentlich schon wußte.
Was Zamorra eine Zeitlang die Sprache raubte, was ihn in ohnmächtiger Empörung erstarren ließ, war die kühle, unbeteiligte Art, mit der Almagro das Ungeheuerliche beschrieb.
»Ich würde aber an Ihrer Stelle nicht zuviel an diesen Dingen rühren«, schloß Don Marcelino.
»Wie soll ich das verstehen?« Zamorras Augenbrauen zogen sich fragend in die Höhe.
»Weil Sie es wahrscheinlich mit dem Leben bezahlen müßten«, war die eindeutige Antwort. »Sie und ihre Sekretärin müßten es mit dem Leben bezahlen.«
Zamorra beobachtete aus den Augenwinkeln heraus alle am Tisch sitzenden Personen. Er bemerkte den verzweifelten Ernst im Gesicht Don Marcelinos. Juan Perez, der einarmige Historiker, starrte mit verkniffenem Gesicht auf das Tischtuch. Zamorra hatte den Eindruck, als ob sich Perez über die Worte des Schloßherrn ärgerte.
Das Gesicht Maria de Almagros, die neben ihm saß, schimmerte unnatürlich weiß. Zamorra sah, daß sich ihre Hände vor Erregung um die Tischkante klammerten. Selbst Nicole blickte ernst auf Almagro. Eine unheimliche, knisternde Spannung erfüllte den Raum.
»Ich halte es für angebracht, Ihnen zu sagen«, erklärte Zamorra etwas lauter, als es an und für sich nötig gewesen wäre, »daß ich nicht daran denke, mich abschrecken zu lassen.«
»Dann kann ich Ihnen auch nicht helfen«, murmelte Don Marcelino heiser. Angst und Ärger schwangen in seiner Stimme mit.
Zamorras Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen.
»Sagen Sie, Don Marcelino, war es nicht einer Ihrer Vorfahren, der Anno 1541 Pizarro ermordete?« Wie ein Pistolenschuß hallte die Frage durch den Raum. Zamorra sah, daß die Haut unter dem Kinn des Schloßherrn faltig wurde. Almagro, der ihm sowieso nicht sehr energiegeladen vorkam, schien plötzlich völlig in sich zusammenzufallen.
***
»Herr im Himmel«, flüsterte Dr. Amondo heiser. »Herr im Himmel, ich habe es selbst gesehen. Mit eigenen Augen.« Sein Blick wanderte von Felipes Gestalt zu der des Dorfpolizisten und wieder zurück.
Vor einem Augenblick hatte sich die Tür des kleinen Behandlungsraumes geöffnet, das heißt, sie war aufgerissen worden, und nun standen sie sich gegenüber.
Felipe Ortez, bleich, mit wirrem Haarschopf und staubigem, verschmutztem Anzug, stand neben dem Polizisten. Amondo hatte das Gefühl, als ob ihm der Boden unter den Füßen weggezogen würde.
Er stand mit dem Rücken an dem wackeligen Schreibtisch, die Hände gegen die Kanten gestützt.
»Entschuldigen Sie unser formloses Eindringen, Doktor«, hörte er wie aus weiter Entfernung die Stimme des Polizisten, »aber ich wollte Ihnen ganz schnell diesen neuen Patienten bringen.« Antonio Perillos Mopsgesicht verzog sich zu einem Grinsen, Er schloß die Tür und schob Felipe zu einer weiß abgedeckten Liege, auf die er ihn niederdrückte.
»Er lebt wirklich.« Amondo versuchte seine wild durcheinander wirbelnden Gedanken zu sortieren.
»Ich habe die Geschichte nicht erfunden«, stieß er aus tiefstem Herzen hervor.
»Sagt ja auch niemand.« Antonio war die grinsende Überlegenheit.
»Ihre Gehirngänge sind bei dem Unfall etwas
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