0012 - Der Dämonenknecht
halten Sie mich?« Mit freundlicher Nachsicht betrachtete er seine, nicht zum erstenmal, vor gesundem Menschenverstand strotzende Sekretärin.
Ein entfernter Schrei ließ alle um den Tisch Sitzenden zusammenfahren. Zamorra lief es kalt über den Rücken, und er fühlte ein Kribbeln an den Haarwurzeln entlanglaufen. Der Verwalter stand in der Tür. Außer Don Marcelino befanden sich alle im Augenblick auf dem Schloß lebenden Wesen in diesem Raum. Und nun dieser Schrei!
Zamorra sprang auf, stieß den Verwalter zur Seite und rannte auf den Gang hinaus.
Der Schrei war von unten aus der Halle gekommen. Zwei Stufen auf einmal nehmend, stürmte Zamorra die Treppe hinab.
Don Marcelinos schmächtige Gestalt lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Aus einer Wunde an seiner linken Gesichtshälfte quoll Blut. An seinem Fuß lag ein kurzes Schwert mit einer breiten Schneide. Mehr im Unterbewußtsein nahm Zamorra die hellen Umrisse an der sonst dunklen Wand wahr, an der die Waffe gehangen hatte. Er kniete neben dem Schloßherrn nieder und stellte fest, daß die Wunde schlimmer aussah, als sie in Wirklichkeit war. Das Schwert hatte den Mann nur gestreift.
»Es ist nicht so schlimm«, rief er Maria de Almagro zu, die, die Hände auf das Geländer gestützt, auf halber Höhe der Treppe stand.
Ihr Gesicht war mit einer tödlichen Blässe überzogen. Selbst der Glanz ihrer Augen schien erloschen zu sein. Sie knickte ein, die Knie gaben unter ihr nach, und sanft, ganz lautlos wie ein Kleid, das vom Haken fällt, sank sie zusammen und rollte die Stufen hinunter, bis sie am Fuß der Treppe liegenblieb.
***
Das alles war einfach absurd, war unmöglich.
Dr. Amondo hatte es aufgegeben, über sein geheimnisvolles Erlebnis nachzugrübeln. Er hatte es tun müssen, sonst wäre er wirklich wahnsinnig geworden. Nun beschränkte Amondo sich darauf, seine Pflicht als Arzt zu erfüllen.
Felipes ganzer Nervenapparat schien von dem Unfall beschädigt worden zu sein. Er sprach kein Wort und gab auch kein Zeichen irgendeines Gefühls von sich. Selbst als Señora Ortez und seine Töchter am Nachmittag kurz an seinem Bett standen, zuckte er mit keinem Muskel, sondern starrte nur mit stumpfem Blick gegen die Zimmerdecke.
Felipes Familie verließ nach kurzer Zeit verstört das Krankenzimmer.
»Sagen Sie ehrlich, Doktor, was hat er?« fragte Señora Ortez, die mit einer schmutzigen Kittelschürze bekleidet war, ein wenig einfältig.
Amondo schloß die Tür und blickte verlegen zu Boden.
»Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es auch nicht genau«, murmelte er. – »Keine erkennbaren Verletzungen, vielleicht ein Schock. Wir werden bis morgen warten. Wenn sich bis dahin nichts ändert, schaffen wir ihn ins Krankenhaus.«
Nach einer kleinen Pause sagte Señora Ortez mit einem zu Herzen gehenden Ton der Rührung. »Wir wollen gerecht sein und dem Herrgott danken, daß er überhaupt noch am Leben ist.«
Amondo schaute die Frau betreten an. Die Schuld an dem Schreck der Wirtin hatte er ja. Er, der ihr die Todesnachricht überbracht hatte.
Jeder vernünftige Mensch mußte ihn ja für verrückt halten. Und man konnte es demjenigen nicht einmal übelnehmen.
»Ich war heute morgen einem schlimmen Irrtum erlegen, Señora Ortez«, murmelte er schuldbewußt. »Bitte, verzeihen Sie mir.«
»Aber Doktor.« Die Wirtin schaute ihn verwundert an. »Wir sind ja glücklich, daß Sie sich geirrt haben. Wir wissen doch, daß Sie selber…«
»Schon gut.«
Amondo schob die beleibte Wirtin zur Tür. Er spürte plötzlich ein paar weiche Lippen auf seinen Wangen.
»Es wird schon alles wieder gut werden«, hörte er die Stimme von Isabell Ortez. Einen Augenblick fühlte er sich versucht, das Mädchen in die Arme zu nehmen, aber er ließ es sein.
Dr. Amondo schaute der Familie noch lange nach. Erst als schon die Dämmerung hereinbrach und die Gestalten der Wirtin und ihrer Töchter nur noch als helle Flecke zu erkennen waren, trat der Arzt wieder ins Haus.
Er schaltete die Tischlampe auf seinem Schreibtisch an, ließ sich auf den hinter dem Schreibtisch stehenden Stuhl fallen und versank mit hängendem Kopf in dumpfes Brüten.
Wieder überkam ihn die Erinnerung an das grausige Erlebnis.
Der Doktor stützte seine Ellbogen auf den Schreibtisch und vergrub sein Gesicht in den Händen. Er spürte, wie sich seine Kehle zusammenzog.
»Hilf mir, mein Gott! Hilf mir!« flüsterte er lautlos.
Ein Geräusch im Nebenzimmer ließ ihn zusammenfahren. Es war, als
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