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0013 - Die Knochengrube

0013 - Die Knochengrube

Titel: 0013 - Die Knochengrube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Friedrichs
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beiden Manualen.
    Hinter ihm drängelten sich die fünfzehn Geister tuschelnd an der Eingangstür. Sie wagten sich nicht näher heran. Raspani würdigte sie keines Blickes.
    Er zog drei, vier Register. Unterhalb der Baßpfeifen des Instrumentes war ein Spiegel angebracht, der einzig heile Spiegel auf der »Estrella Negra«.
    Raspanis Füße berührten die Pedale für das Baßregister. Ein unterschwelliges Dröhnen erfüllte den Musiksalon. Der Fußboden zitterte. Als der Untote die Krallenfinger über die Manuale gleiten ließ, steigerte sich die Lautstärke, die Klangfülle wurde durch eine zweistimmige Melodie und die Begleitung vervollständigt. Raspani intonierte einen Trauermarsch.
    Gebannt fixierte er den Spiegel.
    Plötzlich geschah etwas Unfaßbares. Auf der blinden Glasscheibe erschienen Konturen, Farben – zunächst nur verschwommen, dann aber deutlich und zum Greifen nahe. Gestochen scharf hoben sich die Umrisse eines Autos ab. Es handelte sich um einen roten Fiat Dino. Das Bild wechselte und zeigte den Eingang eines Hotels, dann eine Treppe, eine Zimmertür. Auf dem Bett, das danach auf dem Spiegel erschien, lag ein Mann. Ein schlanker, dunkelhaariger Mann mit markantem Gesicht.
    Raspani verharrte auf einem grellen Akkord.
    »Das ist er«, schrie er. »Dieser Professor Zamorra. Er hat das Geheimnis der ›Estrella Negra‹ herausbekommen. Seht ihn euch an!«
    Eilfertig rückten die Geister näher.
    »Er ist ein Todgeweihter«, keuchte Raspani. »Falls er meine Pläne vereiteln will, wird er ebenfalls geköpft.«
    »Geköpft!« heulten die schaurigen Gestalten.
    Wieder veränderte sich die magische Projektion auf dem Spiegel.
    Diesmal tauchte das Gesicht eines schnauzbärtigen Mannes wie in Großaufnahme auf. Der Mann lächelte.
    »Er ist der nächste, der sterben muß«, brüllte Raspani.
    Dann spielte er weiter – eine wirre Melodie, die keinen Zusammenhang hatte. Während seine bleichen Finger die Tasten der Orgel traktierten, entlud sich auf See das Gewitter. Nach und nach flaute der Orkan ab.
    ***
    Everildo Saldana lächelte und schaute auf seine Armbanduhr.
    Es war zehn Uhr morgens, und er befand sich rund zwanzig Seemeilen von Key Largo entfernt, einem der südlichsten Zipfel von Florida. Saldana, ein gut aussehender Mann mit Schnauzbart, war von Beruf Orchestermusiker, nicht in irgendeinem x-beliebigen Tanzorchester, sondern im Philadelphia Symphonic Orchestra.
    Deswegen konnte er sich den Luxus leisten, einmal im Jahr vier Wochen lang nichts als Hochseefischerei zu betreiben. Die beste Zeit für Rotbarsch und Kabeljau war Oktober. Dann kehrten die Fische zum Laichen in küstennahe Gewässer zurück.
    Everildo Saldana war nicht allein auf dem Kajütkreuzer, an dessen Heck er vier mächtige Angeln in ihren Halterungen befestigt hatte.
    Seine Freundin Mabel, ihr Bruder Frank Fountain und dessen Mädchen Evalee Minette hatten sich wie er um sechs Uhr aus den Federn gewälzt.
    »Macht nicht so trübe Gesichter«, lachte Everildo. »Wer einen guten Fang haben will, muß schon früh aufstehen. Ihr seht ja selbst, wieviel Zeit vergeht, bis man hier draußen ankommt und die Ruten ausgeworfen hat.«
    »Schon gut«, maulte Frank Fountain. Er war ein hübscher Bursche, hatte aber keine Ambitionen für Fitneß-Übungen, sondern ließ sich lieber von der gutgebauten Evalee bis in den späten Vormittag hinein im Bett unterhalten. »Du hast ja gewonnen«, fuhr er schleppend fort, »aber glaub bloß nicht, daß du uns noch mal wieder rauslocken kannst. Ich finde diesen Job ausgesprochen langweilig.«
    »Keine Kondition, die Jugend von heute«, gab Everildo zurück.
    »Ich bin sechsunddreißig Jahre und damit acht Jahre älter als du, aber trotzdem noch ganz schön in Form.«
    »Das kann man wohl sagen«, bemerkte Mabel. Sie drängte ihren Körper gegen den Musiker und hielt ihn mit den Händen an den Hüften fest. Sie trug nur einen Bikini. Die Sonne hatte die letzten Gewitterwolken verdrängt – man mußte das schöne Wetter ausnutzen, um ein bißchen Bräune mit nach Haus zu bringen.
    Evalee begann zu kichern. Mabel stimmte mit glockenheller Stimme ein und wurde von Everildo begleitet. Da konnte auch Frank Fountain seine Sauregurkenmiene nicht länger halten. Er beteiligte sich lauthals an dem Gelächter.
    »Ihr verjagt die Fische«, meint Everildo.
    »Welche – die, die nicht vorhanden sind?« japste Frank.
    »Aus dir wird nie ein Petrijünger.« Everildo sprach fast akzentfrei Englisch. Nur das R rollte er

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