0013 - Die Knochengrube
zerbröckelte…
Er versuchte es.
Anlauf nahm er quer durch den gesamten Raum, dann stieß er sich mit den Beinen ab und flog dem Loch entgegen. Er bekam den Rand günstig zu fassen – das Deckenmaterial ächzte unter seiner Last, aber er konnte sich doch bis nach oben ziehen, um die Füße auf den Boden des höher liegenden Decks zu setzen.
Zamorra grinste grimmig. Jetzt kam es nur noch auf seine Schnelligkeit an. Denn eines stand für ihn fest: Da Raspani keinen magischen Einfluß mehr auf das Schiff hatte, konnte er es auch nicht durch übersinnliche Kräfte zum Sinken bringen. Er mußte schon die Schotten öffnen, falls er seine Drohung wirklich wahrzumachen gedachte…
Die Hauptschotten mußten sich fünf bis sechs Decks tiefer befinden!
Zamorra rannte auf den nächsten Gang hinaus, fing sich, hetzte zur Treppe, die wieder zum Promenadendeck hinabführte. Eine der Stufen brach unter seinem Körpergewicht. Aber er erreichte ungehindert das Promenadendeck. Von hier aus gelangte er ins Unterdeck, dann in den Speisesalon.
Der einzige Tisch, an dem die Geister offensichtlich eine ihrer widerwärtigen Mahlzeiten gehalten hatten, war von einer feuchten Schicht bedeckt. Auch der Boden war feucht – Zamorra mußte aufpassen, nicht auszurutschen. Er stolperte in die Küche hinab. Hier entdeckte er die Spuren. Raspani hinterließ eine Fährte. Er war so schlau gewesen, ausgerechnet durch den schlüpfrigen Speisesalon zu laufen. Jetzt waren seine dürren Füße so weit benetzt, daß sie Abdrücke hinterließen, die Muster von jeweils fünf gespreizten Knochen.
Er war voll Haß, aber auch seine Angst war unverkennbar. Sonst hätte er niemals einen so gravierenden Fehler begangen. Zamorra brauchte nur der Fährte zu folgen. Auf diese Weise gelangte er ein Deck tiefer in die ehemalige Schlachterei der »Estrella Negra«. Danach, wieder ein Deck weiter unten im Bauch des Geisterschiffes, hatte er den Laderaum vor sich. Gähnende Leere und Dunkelheit empfingen ihn.
Zamorra verharrte. Er wartete, bis sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Er kauerte auf dem Treppenabsatz.
Das Geländer gab ihm einigermaßen Deckung, so daß er hoffen konnte, daß Raspani ihn nicht entdeckte, falls er hier steckte.
Atemzüge vernahm Zamorra nicht. Ein Geist atmet nicht. Aber die Schritte des Untoten waren deutlich zu vernehmen. Harte, schleppende Geräusche – die Laute, die Knochenfüße auf dem Untergrund hinterließen.
Gleich darauf sah der Professor ihn. Raspani schlich fast auf ihn zu. Wahrscheinlich hatte er zuvor einen Abstecher in den Proviantraum unternommen, um das Schott zu öffnen – ja, jetzt war deutlich das anschwellende Rauschen zu hören! Die »Estrella Negra« füllte sich mit Wasser.
Raspani mußte an Zamorra vorüber, um zu dem Hauptschott des Laderaums zu gelangen. Der Professor machte seine Umrisse immer besser aus. Dann schälte sich das bleiche, grauenvolle Gesicht des Untoten aus der Dunkelheit. Raspanis Mund war verzerrt. Unverständliche Laute kamen über seine von Lippenresten bedeckten Zähne.
Jetzt! schoß es Zamorra durch den Kopf.
Er sprang. Im nächsten Moment stand er vor dem Unheimlichen.
Und ehe Raspani ausweichen konnte, hielt er ihm das Amulett vor die Fratze.
»Vade retro, Satanas«, sagte Zamorra. »Das Spiel ist aus, Raspani.«
»Nein…«
»Du wirst endlich Erlösung finden. Stell dich freiwillig. Es nützt dir nichts, dich aufzulehnen.« Er näherte sich dem Geisterkapitän und stellte fest, daß sich der Kerl unter dem Einfluß des Talismans zunehmend versteifte. Immer wieder stieß Zamorra die Beschwörungsformel aus.
Der Untote rang die Hände. »Laß mich meine Rache vollenden. Ich werde dich fürstlich belohnen, Zamorra! Du kannst doch nicht zulassen, daß ich, nachdem ich fünfundsiebzig Jahre auf den letzten Akt der Erfüllung meines Schwurs gewartet habe, so schauderhaft abbrechen muß. Besiegeln wir einen Pakt. Nur noch die beiden Schwestern, dann ziehe ich mich freiwillig zurück. Dir gebe ich Gold und Silber, das ich in einer der Grotten auf Marmossa gehortet habe.«
»Dein Weg ist mit Leichen gepflastert, Raspani«, gab Zamorra mit kalter Stimme zurück. »Du hast mindestens zwei Dutzend Menschen auf dem Gewissen. Und das alles wegen eines unsinnigen Rachevorhabens, bei dem du dich an den armen Teufeln schadlos gehalten hast, die keinerlei Schuld an dem Untergang der ›Estrella Negra‹ hatten.«
»Du irrst. Sie waren schuldig, alle!«
»Schuld
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