0016 - Das Mädchen von Atlantis
diesem schmalen Gang, sondern in einer gewaltigen Höhle.
Das blaue Scheinen pulsierte in der Luft, leuchtete die Höhle mit seinem magischen Licht aus.
Jane Collins interessierte sich für diese Lichtquelle, ging einige Schritte vor und blieb abrupt stehen. Was sie sah, verschlug ihr den Atem!
***
Kiriakis hauste in einem Keller. Eine schmale Steintreppe führte zu seiner Bleibe.
Wir befanden uns mitten in der Altstadt. Schmale, schiefe Häuserfronten, dazwischen Straßen, die den Namen gar nicht verdienten, und winklige Gassen.
Der Taxifahrer hatte uns nicht bis zum Ziel gefahren. Die Gasse war zu eng für seinen alten Chevrolet. Dafür hatte der Fahrer uns den weiteren Weg erklärt. Und jetzt standen wir vor Kiriakis’ Bleibe. Wir wurden angestarrt, als kämen wir vom Mond. Aus Fenster- und Türlöchern beobachtete man uns. Manchmal versteckt, dann wieder ganz offen.
Von irgendwoher erklang eine wehmütige Melodie. Kinder starrten auf uns herab. Als wir hochblickten, streckten sie uns ihre Zungen heraus.
»Hoffentlich versteht Kiriakis unsere Sprache«, flüsterte Suko. Ich hob nur die Schultern, Mittlerweile war es mir schon zu warm. Das Hemd klebte unter den Achselhöhlen. Kiriakis’ Wohnung hatte keine Tür. Wir mußten einen alten Vorhang zur Seite schieben, der schon mehr an einen großen Saal erinnerte.
Dämmerlicht schlug uns entgegen. Nach der Helligkeit des Mittags hatten es unsere Augen schwer, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.
»Kommt näher«, hörten wir eine melodisch dunkle Stimme aus der Finsternis. »Ich habe euch erwartet.«
»Der spricht tatsächlich englisch«, raunte Suko. »Sieh mal an.«
Wir mußten uns ducken, um in die Wohnung zu gelangen. Eine seltsame Duftmischung kitzelte unsere Geruchsorgane. Es roch nach scharfem Essen, nach Weihrauch. Auch ein Hauch von Jasmin und Oleander schwebte dazwischen. Allmählich konnten wir Konturen erkennen, und ich sah auch Kiriakis.
Er winkte mit der Hand. »Sie haben uns erwartet?« fragte ich.
»Ja. Ich wußte, daß ihr kommen würdet. Das Buch des Schicksals ist vielfältig und rätselhaft. Auch ihr seid darin verzeichnet, als Retter und Kämpfer des Lichts. Aber genug der Worte. Ich will euch ansehen, meine Freunde.« Über seinem Kopf leuchtete ein geisterhaftes, fahlrotes Licht auf. Wir konnten den geheimnisvollen Kiriakis besser erkennen. Er war schon ein ungewöhnlicher Mann. Steif saß er auf dem Stuhl mit der hohen Lehne, die über seine Schultern reichte. Er hatte die Arme auf die Lehnen gelegt und den mageren Oberkörper ein wenig vorgebeugt. Sein Gesicht war schmal. Durch das rote Licht wirkte es wie mit Blut übergossen. Die Lippen waren in der faltigen Haut kaum zu erkennen. Wie eine Kante sprang die gebogene Nase aus dem Gesicht. Das graue Haar hing weit über die Ohren.
Kiriakis trug ein Gewand, das mit Stickereien abgesetzt war. Seine Füße steckten in Riemensandalen, der magere Hals schaute aus dem grünlich schillernden Gewand hervor wie der eines Geiers.
Dicht vor ihm blieben wir stehen. Von der Außenwelt war nichts mehr zu hören. Wir hatten hier eine andere Welt und Zeit betreten.
Der Raum selbst glich einer Rumpelkammer. Ich sah ausgestopfte Tiere, alte Kisten und Sitzbänke. Tiegel, Tongefäße, Mörser, Glasflaschen. Wie die Hexenküche eines mittelalterlichen Alchimisten hatte sich der gute Kiriakis eingerichtet. War er ein Scharlatan oder ein echter Verbündeter? Ich hoffte, auf diese Frage in den nächsten Minuten eine Antwort zu erhalten.
»Die Stunde der Entscheidung ist nah, meine Freunde«, sagte er mit leiser, kaum zu verstehender Stimme. »Die Wiedergeburt einer alten Kultur, einer alten Rasse und eines glanzvollen Kontinents steht dicht bevor. Ich spüre und fühle es sehr deutlich. Delos, die alte Steininsel, wird zum Zentrum der Umwandlung. Aber es droht Gefahr. Finstere Mächte haben ihre Hand im Spiel. Böse, magische Kräfte wollen mit allen Mitteln versuchen, die Kreise des Lichts zu stören. Die Bösen sind schon weit, sehr weit…«
Er verstummte und holte tief Atem. Sein Blick haftete dabei auf mir. Ich fühlte mich unbehaglich, die Augen des Alten schienen meine Seele zu durchforsten. »Woher kennen Sie mich?« fragte ich ihn.
Er lächelte unergründlich. »Ich bin ein alter weiser Mann. Und ich lebe nicht zum erstenmal. Mehrere Male wurde ich wiedergeboren. Mein erstes Leben aber war in…«
»Atlantis?« flüsterte ich fragend.
»Ja.« Er nickte. »Ich gehörte zu den Weisen,
Weitere Kostenlose Bücher