0016 - Ich gewann die letzte Runde

Titel: 0016 - Ich gewann die letzte Runde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann

Vom Netzwerk:

der Seitenfenster hinaussah. Der Thunderbird rollte langsam weiter. Ich konnte zwar nichts mehr sehen, aber ich hatte das Gefühl, als steuerte Face den Wagen ständig um das gleiche Häuserviereck.
    Ein paar Minuten später flüsterte Lex Traiter: »Da sind der Laster und der Ford.«
    »In Ordnung«, brummte Face, steuerte scharf an den Bordstein und stoppte. Er und die Traiters sprangen aus dem Wagen. Brandow blieb neben mir sitzen.
    Ich schob mich langsam so weit höher, daß ich aus dem Seitenfenster sehen konnte. Aber viel war nicht zu entdecken. Die Nacht war dunkel. Die Straße, in der wir hielten, war nur schmal. Links lief die Mauer einer Fabrik entlang, rechts, unmittelbar vor dem Wagen, ragte die fensterlose, glatte Rückwand eines Hauses hoch.
    Jetzt tastete sekundenschnell der Strahl eines Scheinwerfers diese Mauer entlang, blieb für ein paar Augenblicke an einem kleinen Fenster hoch oben hängen, erlosch dann.
    Dann schob sich an meinem Gesicht ein gewaltiger Schatten vorbei.
    Ich vernahm jenen beißenden Geruch, den ich seit Tagen im Heizungskeller gerochen hatte. Und noch einmal hatte ich jene Vision, wegen der mich Fathgown so herzlich ausgelacht hatte, die Umrisse eines buckligen Mannes mit zwei Köpfen.
    Der Zwerg Bobbeck ritt auf dem Rücken des Orang-Utans Togo.
    Wieder blitzten die Taschenlampen, immer nur für Sekundenbruchteile. Ich hörte das heisere Wispern des Zwerges.
    »Auf, Togol Hoch, mein Guterl Sei brav! Hoch!«
    Ich strengte meine Augen an. War dort an der dunklen Mauer ein Fleck, der sich bewegte, noch dunkler als der Hintergrund? Ich konnte nichts mit Sicherheit erkennen.
    Ein paar Minuten lang herrschte absolute Stille. Von ganz fern schlug eine Uhr an. Mechanisch zählte ich die Schläge mit. Drei Uhr nachts!
    Dann hörte ich Faces Stimme: »Geschafft!«
    Ein schwaches klatschendes Geräusch. Die Taschenlam pen blitzten. Ich erhaschte für einen Augenblick das Ende einer langen Strickleiter, und die Gestalt des einen Traiters, der schon seine Füße auf die unterste Sprosse setzte. Stille! Völlige Stille für mindestens zehn Minuten. Dann schob sich noch einmal die plumpe Gestalt des Orangs an mir vorbei. Bobbeck flüsterte: »Komm, mein Kleiner. Wir sind fertig. Wir…«
    Eine Minute später brummte der Motor des Lastwagens auf. Er glitt an unserem Wagen vorbei.
    Wieder Stille, dann tauchte Face plötzlich am Seitenfenster auf.
    »Wir kriegen den Tresor nicht auf! Gib die Dynamitpatronen, Tob.«
    »Willst du das wirklich wagen?« fragte mein Bewacher.
    »Klar«, zischte er. »Glaubst du, wir können bis morgen früh an dem verdammten Schrank herummurksen?«
    Brandow kramte ein kleines Päckchen aus der Seitentasche hervor. Face entriß es ihm und verschwand in der Dunkelheit.
    Ich holte tief Luft. Wenn sie sprengten, dann gab es Krach genug, und dann mußten sie sich verteufelt beeilen, um abzuhauen, bevor die Umgebung auf den Beinen war. Das war meine Gelegenheit.
    Ich veränderte ein wenig meine Lage. Die Chancen waren schlecht genug, aber viel besser würden sie wahrscheinlich nie werden. Ich zog die Knie an, soweit es meine Fesseln erlaubten.
    Wieder vergingen Minuten absoluter Stille, in denen nicht mehr zu hören war als der schnaufende Atem Brandows neben mir. Dann, plötzlich, krachte es heftig über unseren Köpfen. Die Sprengladung war explodiert. Und jetzt explodierte auch ich.
    Ich warf mich nach vorn und schleuderte Brandow gegen die Seitenwand. Dann schnellte ich hoch. Das Polster des Vordersitzes klappte um. Ich fühlte das Steuerrad im Rücken, legte mich darauf, zog die Knie an und stieß mit den Füßen zu, daß die Tür aufsprang. Ich fiel auf den Wagenboden, meine Beine hingen von den Knien ab im Freien. Ich zappelte wie ein Aal, rutschte auf die Straße, bevor Brandow zugreifen konnte. Aber es nutzte mir nichts. Völlig hilflos rollte ich auf den Asphalt.
    In diesem Augenblick wurde es ziemlich heftig. Zwei Gestalten stürzten zum Wagen.
    »Weg!« schrie der erste. »Schnell weg!« Ich erkannte Faces Stimme.
    »Der G-man!« brüllte Brandow, der schon aus dem Wagen gesprungen war.
    »In den Wagen mit ihm!« rief Face. »Wir brauchen ihn! Beeil dich, verdammt!« Brandows riesiger Schatten wuchs vor mir hoch wie ein Berg. Sein Arm reckte sich hoch. Dann war Nacht.
    ***
    Als ich die Augen aufschlug, lag ich auf der Pritsche in dem Zimmer im Verwaltungsgebäude der Pulverfabrik.
    »Er ist wach!« meldete Snake, der neben mir auf der Pritsche saß und mich