0016 - In den Klauen der Vampire
gehen?«
»Hypnose. Wenn Kitty einverstanden ist…«
Bill runzelte die Stirn. Hypnose – das war etwas, das sich wissenschaftlich erklären, methodisch anwenden und in einem konventionellen Weltbild unterbringen ließ. Er nickte entschlossen und stand von dem umgestürzten Palmenstamm auf, den er als Sitzbank benutzt hatte.
»Warum sollte Kitty nicht einverstanden sein?« fragte er. »Schließ- lich müßte sie selbst daran interessiert sein, zu erfahren, was gestern nacht geschehen ist. Also los, fragen wir sie!«
Zamorra nickte.
Die drei Männer verließen den Platz ihrer Unterredung und kehrten zum Haus zurück. Auch Nicole hatte sich inzwischen in ihrem Zimmer eingerichtet. Sie trug Jeans und ein knapp geschnittenes weißes T-Shirt, hatte das dunkle Haar im Nacken zusammengefaßt und saß neben Kitty am Tisch in der Küche, wo die Kaffeemaschine vor sich hin brodelte.
Kitty hob ruckartig den Kopf, als sie Zamorras Blick spürte. Seine Anwesenheit schien sie irgendwie zu beunruhigen. Ihr Lächeln wirkte gezwungen, und die großen blauen Augen flackerten verhalten.
Bill war seiner Sache sicher. Er schien nicht im Traum mit Ablehnung zu rechnen.
»Wir haben eine Möglichkeit gefunden, der Sache von heute nacht auf den Grund zu kommen«, sagte er. »Zamorra wird dich in Trance versetzen und…«
Kitty starrte ihn an.
»Trance?« echote sie.
»Hypnose, ja. In diesem Zustand kann man Dinge ins Bewußtsein zurückholen, die man vorher verdrängt hatte. Du wirst dich an alles erinnern, was geschehen ist, du wirst es uns erzählen können und…«
Kittys Lider flatterten. Sie starrte Zamorra an und schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte sie tonlos.
»Aber…«, begann Bill.
»Nein! Ich will nicht!« Kittys Stimme wurde schrill. »Mein Kopf gehört mir! Ich dulde nicht, daß jemand in meinen Gedanken herumschnüffelt und…«
Sie stockte abrupt.
Vermutlich war ihr selbst zum Bewußtsein gekommen, wie unangemessen dieser Ausbruch war. Ihre Lippen zitterten, und sie sah hilflos von einem zum anderen.
»Ich kann nicht«, sagte sie erstickt, »Es tut mir leid, wenn… Ich wollte nicht unhöflich sein. Aber ich könnte das einfach nicht ertragen. Ich habe Angst davor, ich …«
Bill wollte etwas sagen, wollte protestieren – doch Zamorra machte ihm ein Zeichen zu schweigen. Der Professor hatte den eigentümlichen, fast fiebrigen Glanz in Kittys Augen wahrgenommen – und er wußte, daß es sinnlos war, jetzt noch weiter in sie zu dringen.
»Es ist selbstverständlich allein Ihre Entscheidung, Kitty«, sagte er ruhig. »Sie können es sich ja noch überlegen und uns Bescheid sagen, falls Sie Ihre Ansicht geändert haben.« Und mit einem tiefen Atemzug: »Wir sollten uns darüber einig werden, was wir als nächstes unternehmen. Ich bin sehr gespannt auf die Insel. Und ganz besonders interessiert mich die Frage, ob die ›Aloha II‹ tatsächlich im Hafen von Graf Chaldras’ Landsitz liegt…«
***
Eine halbe Stunde später waren sie bereits unterwegs.
Die Stimmung wirkte bedrückt. Lediglich Kitty schien gut gelaunt – als sei der Ausbruch, mit dem sie sich gegen die Hypnose gewehrt hatte, nur das kurze, bereits wieder vergessene Aufblitzen einer anderen Bewußtseinsschicht gewesen. Bill Fleming verhielt sich schweigsam und in sich gekehrt. Er begriff Kittys Weigerung nicht, er schaffte es einfach nicht, für die Ereignisse der letzten Tage eine vernünftige Erklärung zu finden. Dermot Devlin war ebenfalls sehr schweigsam, Zamorra von einer seltsamen, fast fiebrigen Spannung ergriffen – und auch Nicole hing ihren eigenen Gedanken nach, die im wesentlichen auf die Frage hinausliefen, ob nun sogar der realistische, wissenschaftlichkühle Bill Fleming schon anfing, Gespenster zu sehen.
Sie gingen am Strand entlang.
Die Sonne stand fast im Zenit, und die Hitze schien wie ein körperliches Gewicht herabzufallen. Nach einer Weile entschlossen sie sich, lieber im Schatten der Palmen zu bleiben. Das war zwar etwas mühsamer, aber entschieden angenehmer. Etwa zwanzig Minuten brauchten sie, um die felsige Landzunge zu erreichen, die die Bucht begrenzte, und von dort aus hatten sie einen ungehinderten Blick über den kleinen natürlichen Hafen.
Die »Aloha II« lag an einem nagelneuen Anlegesteg, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt.
Kein Mensch war an Bord – nichts wirkte ungewöhnlich auf der Fähre. Dermot Devlin kniff die Augen zusammen und sah von einem zum anderen.
»Sie ist nicht
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