0017 - Ich gab ihm eine Chance
Außerdem, Bill, damit du ganz beruhigt bist: Der Mörder war wahrscheinlich einer aus einer Autobande. Ich habe da eine bestimmte Spur.«
Bill atmete erlöst auf.
»Ich hätte keine ruhige Minute mehr, wenn etwa meinetwegen jetzt auf Less ein Verdacht sitzenbliebe.«
Er ging, beruhigt über das, was nun genau der Fall war: Auf Less Hardy blieb ein Verdacht hängen, und ein ziemlich starker sogar. Denn was sollte ein normaler Mensch abends um neun Uhr in einem fremden Garten verscharren?
***
An diesem Morgen war der Teufel los. Es hagelte förmlich von Überraschungen. Bill war noch keine halbe Stunde aus meinem Office raus, da klingelte das Telefon.
Ich hob den Hörer ab und sagte: »Jerry Cotton. Was ist los?«
»Eine Dame ist am Apparat, Jerry. Möchte dich sprechen. Soll ich verbinden?«
»Ja, tu’s.«
Es knackte ein paarmal in der Leitung, dann hörte ich Miß Nancys Stimme.
»Hallo, ist dort Jerry Cotton?«
»In voller Lebensgröße. Hallo, Miß Nancy. Was verschafft mir die Ehre?«
»Ich wollte Ihnen was sagen. Aber es ist vielleicht besser, wenn ich zu Ihnen ins Office komme. Würde es Ihnen in einer Viertelstunde recht sein?«
»Für Sie immer«, gab ich an.
»Gut. Dann bis gleich. So long!«
»So long.«
Ich hängte ein. Und war neugierig, was sie hatte. Nach einer Viertelstunde tvar sie tatsächlich da. Ich bot ihr einen Platz an, und wir rauchten erst einmal eine Zigarette miteinander. Dann fragte ich: »Also, Miß Nancy, was verschafft mir die Ehre?«
Sie drückte ihre Zigarette aus.
»Ich weiß nicht, ob es wichtig ist«, zögerte sie.
»Erstens kann man das vorher nie wissen, und falls es mit Samstag etwas zu tun hat, kann ich nur sagen: Zweitens ist bei einem Kriminalfall alles wichtig.«
»Aber lachen Sie mich nicht aus!«
»Ich könnte Sie höchstens anlachen. Aber da Sie Ihre Wahl in puncto Männlichkeit schon getroffen haben, ist mir sogar das verboten.«
»Sie sind unverbesserlich, Mr. Cotton!«
»Das sagte meine Tante schon vor gut zwanzig Jahren, wenn ich ihr die Äpfel vom Baum stahl. Aber kommen wir zur Sache.«
»Es fiel mir erst gestern nachmittag wieder ein, sonst hätte ich es Ihnen gleich am Samstagabend gesagt. Ich sah nämlich kurz nach neun einen Mann im Garten.«
»Wieso sahen Sie ihn? Sie waren doch immer im Wohnzimmer?«
»Ja, durch das Fenster natürlich.«
»Was tat denn der Mann im Garten?«
»Er suchte etwas.«
»Was? Er suchte etwas?«
»Ja. Er zog die Stachelbeersträucher auseinander.«
»Kannten Sie den Mann? Sahen Sie sein Gesicht?«
»Ja. Einmal, als er sich aufrichtete und zum nächsten Beerenstrauch ging. Es war einer von Ihren Kollegen. Aber ich habe leider seinen Namen vergessen.«
»Würden Sie denn das Gesicht .wiedererkennen?«
»Ich glaube schon.«
»Okay, das werden wir gleich haben.« Ich schlug die Personalakten auf. Auf der ersten Seite war das Duplikat vom Paßbild in unserem Dienstausweis abgeheftet. Miß Nancy sah sich die Bilder der Reihe nach an.
»Der ist es«, sagte sie, ohne zu zögern. Und sie tippte auf Bruce Pay.
»Vielen Dank«, sagte ich und klappte die Akten wieder zu.
»War es richtig, daß ich es Ihnen gesagt habe?«
»Auf jeden Fall. Sonst noch etwas?«
»Nein.«
»Wie geht es Robby? Haben Sie ihn seit Samstag wiedergesehen?«
»Ja. Wir waren gestern mittag zusammen essen. Er wollte nicht, aber ich habe ihn so lange bearbeitet, bis er mitging. Die Geschichte mit Allan geht ihm sehr zu Herzen.«
Ich nickte. »Sie waren sehr eng miteinander befreundet.«
»Ich weiß, Robby erzählte mir oft davon. Sie lernten sich vor zehn Jahren auf einer FBI-Schule kennen. Seither sind sie befreundet. Ich glaube, Robby hat Allan schon einmal das Leben gerettet. Er deutete so etwas an.«
Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, während ich ihr erklärte: »Das beruht bestimmt auf Gegenseitigkeit. Und ich möchte fast wetten, daß es nicht bei einem Mal geblieben ist.«
»Wieso?« fragte sie verständnislos.
»Wenn zwei G-men zehn Jahre lang miteinander befreundet sind, dann liefert Ihnen schon ihr Beruf ausreichend Gelegenheit, sich gegenseitig aus dem Schlamassel zu ziehen. Wenn ich abzählen sollte, wie oft Phil mir oder wie oft ich Phil das Leben gerettet habe, dann käme ich ernstlich in Verlegenheit.«
Sie wurde plötzlich sehr ernst.
»Ist es denn so schlimm mit den G-men?«
Ich lachte. »Sooo schlimm ist es nun auch wieder nicht. Es genügt ja, wenn man alle zwölf Wochen mal in die Verlegenheit kommt,
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