0017 - Ich gab ihm eine Chance

Titel: 0017 - Ich gab ihm eine Chance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Werner Höber

Vom Netzwerk:

bei Robby waren.«
    »Willst du sie alle durchlesen«, fragte er kläglich.
    »Wir werden sie durchlesen«, verbesserte ich.
    »Auch das noch!« stöhnte er und verschwand.
    Nach wenigen Minuten war er wieder zurück mit vierzehn Akten. Wir teilten uns den Spaß und fingen an. Ich weiß nicht, wie spät es war, als es bei uns klingelte. Ich hob den Telefonhörer ab und sagte: »Ja'?«
    »Da ist eine Dame, Jerry, die möchte dich sprechen.«
    »Wie heißt sie?«
    »Sie will ihren Namen nicht sagen.«
    »So? Hm. Na ja, schick sie rauf.«
    Ich legte den Hörer zurück auf die Gabel.
    »Was war denn?« fragte Phil neugierig.
    »Wir kriegen Besuch. Von einer Dame, die unserem Pförtner ihren Namen nicht sagen will.«
    Wir waren beide ziemlich gespannt.
    Als es an die Tür klopfte, stand ich auf und rief: »Come in!«
    Die Tür ging auf, und eine junge Frau von schätzungsweise fünfundzwanzig Jahren trat ein. Sie hatte tief schwarzes Haar. Ihr blasses Gesicht stand in einem scharfen Gegensatz dazu.
    »Bitte, nehmen Sie Platz!« sagte ich, während Phil einen Stuhl zurechtrückte. »Mein Name ist Jerry Cotton, das ist Phil Decker. Sie wollten mich sprechen?«
    Sie setzte sich. Ihre Bewegungen waren ein bißchen eigenartig, auf eine unbeschreibliche Art unsicher. Ihre. Augen lagen tief in den Höhlen, und wenn ihre zarte Haut nicht gewesen wäre, hätte man sie für wesentlich älter gehalten.
    Ich wartete. Sie sah mich an, aber sie sah eigentlich durch mich hindurch. Vielleicht brauchte sie ein bißchen Zeit, um sich an die fremde Umgebung zu gewöhnen. Es gibt viele Leute, die auf der Polizei immer erst einmal Hemmungen kriegen, bevor sie frei sprechen können. Ich wollte ihr ein bißchen Zeit lassen, um sich langsam zurechtzufinden, und blätterte in der Personalakte, die gerade vor mir lag. Aber ich sah nichts, denn ich beobachtete die Frau unter halbgesenkten Lidern. Nach einer Weile fragte sie: »Ist es wahr, daß Allan ermordet wurde?«
    Ich war wie elektrisiert.
    »Wer sagte Ihnen das?«
    »Steve.«
    »Steve Colling?«
    »Ja. Er kam gleich am Samstagabend noch zu mir.«
    »Sind Sie mit ihm befreundet?«
    Sie schüttelte abweisend den Kopf.
    »Ich war mit ihm befreundet. Aber das ist schon lange her.«
    »Trotzdem besucht er Sie hin und wieder noch?«
    »Ja. Aber Allan sah es nicht gern.«
    Ich schaltete auf Alarm. Hier war etwas.
    »Allan mochte Steve nicht besonders, was?« fragte ich möglichst harmlos.
    Ihre Stimme war leise, fast unwirklich, wenn sie sprach.
    »Er war eifersüchtig auf Steve.«
    »Aha«, nickte ich. »Und Steve umgekehrt eifersüchtig auf Allan, was?«
    »Ja, aber das war ja hoffnungslos. Ich konnte es Steve nicht ausreden.«
    »Was?«
    »Daß er endlich einsehen mußte, daß er mich nicht haben konnte.«
    »Ach, Sie waren wohl enger mit Allan befreundet?«
    Sie sah mich erstaunt an, wie ein Kind.
    »Ich bin Allans Frau.«
    »Was?«
    Diese Neuigkeit warf uns beide fast vom Stuhl. Ich sah, daß Phil nervös an seiner Krawatte zerrte. Allan hatte allgemein für unverehelicht gegolten.
    Ich ging ein paar Schritte auf und ab. Dann blieb ich seitlich von der Frau stehen und sagte: »Ich wußte gar nicht, daß Allan verheiratet war.«
    Sie nickte und fuhr sich mit einer müden Geste über die weiße Stirn.
    »Ach ja. Entschuldigen Sie. Das hatte ich vergessen. Allan wollte nicht, daß es bekannt würde.«
    »Was?«
    »Daß wir verheiratet sind.«
    »Aber warum denn nicht?«
    »Er sagte, wenn es bekannt würde, daß er verheiratet sei, würde er nur noch die ungefährlichen Fälle bearbeiten dürfen. Hier nähme man bei solchen Sachen ziemlich Rücksicht.«
    Das stimmte. Mr. High nahm bei der Vergebung von Aufträgen auf die familiären Umstände unserer Leute ziemlich viel Rücksicht. Verheiratete und gar Familienväter kamen selten an die heißen Sachen.
    »Ja, das ist richtig«, sagte ich. »Ich kann Allan verstehen. Er war nun mal ein G-man, die wollen nicht gern immer nur die mehr oder weniger harmlosen Fälle bearbeiten.«
    »Ich verstand es auch«, sagte die Frau. »Sonst hätte ich doch diese Geheimniskrämerei um unsere Ehe nicht mitgespielt.«
    »Und Steve kannten Sie schon, bevor Sie Allan heirateten?«
    »Ja.«
    »Und Steve besuchte Sie auch noch manchmal, nachdem Sie Allan geheiratet hatten?«
    »Ja, er kam manchmal. Allan sah es nicht gern. Einmal hatten sie sogar eine heftige Auseinandersetzung deswegen.«
    »Hm.«
    Ich nahm meine Wanderung durch das Zimmer wieder auf. Nach einer Weile