0017 - Wolfsnacht
er in die Dunkelheit.
Sein Herz klopfte bis zum Hals. Im Augenblick hatte er Angst, schreckliche Angst, die mit eisigen Krallen nach ihm griff und sein Bewußtsein lähmte. Fast bereute er schon seinen Schritt, diesem Fremden, der in der Nacht im Hotel angekommen war, eine Nachricht unter den Frühstücksteller gelegt zu haben.
Doch er hatte sich keinen anderen Rat gewußt. Zumal sich seine bösen Ahnungen bestätigt hatten. Denn kurz zuvor war Allessandro ins Hotel gekommen, anscheinend schwer verletzt. Er hatte sich die Schulter gehalten. Blut quoll zwischen den Fingern hervor und tropfte auf den Marmorboden in der Vorhalle und auf den Teppich.
Zum Glück hatte der Kellner ihn nicht bemerkt, und so war er hinaufgegangen und in seinem Zimmer verschwunden. Als er ihn dann am nächsten Morgen anscheinend unversehrt wiedertraf, war ihm alles klargeworden.
Allessandro gehörte auch zu denen, die vom Teufel besessen waren.
Die Alten des Ortes erzählten nur hinter vorgehaltenen Händen davon. Es hatte irgend etwas mit der Vergangenheit der Gemeinde zu tun.
Von Orgien wurde gesprochen, von Wölfen, und von einem Fürsten der Hölle, der bald wieder auf die Erde kommen sollte.
Sein einfaches Gehirn konnte es kaum fassen. Zu rätselhaft klang das alles in seinen Ohren. Daher auch die Nachricht, daß er den Fremden, der sich mit Professor Zamorra eingetragen hatte, hier um Mitternacht am Strand treffen wollte.
Dieser Fremde flößte ihm Vertrauen ein. Und eine unerklärliche Ahnung sagte ihm, daß – wenn überhaupt jemand – nur dieser Professor das grauenhafte Rätsel von Limone lösen konnte.
Tonio zuckte zusammen. Sein Herz raste. Schweiß trat ihm auf die Stirn.
Er hatte ganz in der Nähe ein Geräusch vernommen.
Ein Rascheln nur, als wäre ein kleines Tier durch die Büsche gehuscht.
Tonio stand auf. Eine Gänsehaut kroch ihm über den Rücken. Angespannt lauschte er.
Nichts. Alles lag wie tot.
Schwach schimmerte ein Lichtschein durch die Kronen der Olivenbäume. Sie gehörten zum Campingplatz, der hier am Seeufer angelegt worden war. Auch dort rührte sich nichts.
Nur das leise Plätschern der Wellen drang an seine Ohren.
Da. Wieder dieses Rascheln!
Tonio räusperte sich.
»Professor! Professor! Signore Zamorra, sind Sie das?« Seine heisere Stimme zitterte. Er spürte die Drohung einer Gefahr fast körperlich. Doch er redete sich selbst Mut ein. Wer sollte auch schon wissen, daß er sich hier aufhielt?
Er setzte sich wieder hin. Ein leichter Wind kam vom See auf und ließ ihn frösteln. Er schüttelte sich.
Wo der Professor nur blieb. Er wollte auf die Uhr schauen, doch er kam nicht mehr dazu.
Er hatte plötzlich das Gefühl, als wäre er nicht allein am Strand. Irgend jemand stand hinter ihm. Zögernd wandte er sich um und – erstarrte.
Zwei glühende Lichtpunkte funkelten ihn aus dem Busch hinter seinem Rücken an.
»Was soll…?« Weiter kam er nicht.
Die Zweige teilten sich, und ein riesiger schwarzer Schatten hechtete auf ihn zu. Reißzähne schimmerten im fahlen Mondlicht. Beißender Atem schlug ihm ins Gesicht.
Tonio machte eine Abwehrbewegung. Er riß den Arm hoch, wollte schreien, doch er brachte keinen Ton heraus.
Dicht vor ihm blieb der Schatten stehen. Jetzt konnte er erkennen, was es war.
Ein Wolf! Ein riesiges Tier. Die spitzen Ohren spielten nervös. Von den Lefzen troff der Geifer. Das vierbeinige Monstrum knurrte drohend.
Dann spannten sich seine Muskeln.
Tonio erkannte das kurze Aufleuchten in den Augen der Bestie. Er deutete es richtig. Aber es half ihm auch nichts mehr.
Lautlos schoß der Kopf des Ungeheuers vor, die Schnauze weit aufgerissen.
Die Nase des Tieres stieß seinen Kopf hoch, und Reißzähne vergruben sich in seinen Hals.
Ein gurgelndes Stöhnen. Das war alles, was Tonio noch hervorbringen konnte, dann starb er.
Der Wolf sicherte nach allen Seiten. Niemand schien etwas von dem bemerkt zu haben, was sich abspielte.
Gierig entblößte das Monstrum seine Zähne und wandte sich erneut seinem Opfer zu.
***
Als Nicole Duval aufwachte, dauerte es zuerst einige Zeit, ehe sie sich daran erinnern konnte, wo sie sich befand.
Das Fenster in ihrem Hotelzimmer stand weit offen, und das Licht des Mondes zauberte ein leuchtendes Rechteck auf den Boden.
Was sie geweckt hatte, wußte Nicole nicht zu sagen. Sie hatte fest geschlafen, und kein Alptraum hatte ihre Nachtruhe gestört. Auch konnte sie keine ungewöhnlichen Geräusche vernehmen.
Lediglich die
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