Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
002 - Der Hexenmeister

002 - Der Hexenmeister

Titel: 002 - Der Hexenmeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.R. Bruss
Vom Netzwerk:
den unterirdischen Gang, dessen Eingang in einem Wäldchen lag. Wir gingen schweigend hindurch. Ich hielt Lauras Hand in der meinen. Jetzt wusste ich, dass auch sie mich liebte, obwohl zwischen uns kein Wort darüber gefallen war. Dieses Wissen gab mir Kraft bei allem, was wir erlebten.
    Um zwei Uhr morgens waren wir alle in dem großen Raum versammelt, in dem Michel Dosseda mich empfangen hatte, als ich ihm zum ersten Mal begegnet war. Wir vermissten ihn sehr. Dieser kluge, gütige Mensch und geniale Denker war uns ein Freund geworden, den wir alle zutiefst verehrten und bewunderten.
    Gut eine Stunde lang besprachen wir, wie wir am besten vorgehen sollten. In manchen Punkten waren wir uns nicht einig. War es besser, die Figuren mit nach Paris zu nehmen und ihre Kräfte in der Nähe von Michel Dossedas Gefängnis freizusetzen, sobald der zum Tode Verurteilte aus der Zelle geführt wurde? Das würde nicht einfach sein, denn sicher wartete dort eine große Menge Neugieriger. Womöglich ergriff man uns, noch ehe wir etwas erreicht hatten. Oder sollten wir uns in der Nähe des Scheiterhaufens aufstellen? Doch dort war die Menschenmenge bestimmt noch größer. Sollten wir vielleicht einfach vor Morgengrauen das Gefängnis zu zerstören versuchen? Doch vielleicht wurde dann der Meister, den wir ja retten wollten, von den einstürzenden Mauern erschlagen.
    »Wäre es nicht am besten«, schlug Jacques Vel vor, »die Kräfte hier freizusetzen und sie dann zum Eingang des Gefängnisses zu lenken oder an einen Ort, an dem der Zug mit dem Verurteilten vorbeikommt? Wir müssen dann den Henker zurückstoßen und auch die Wachen, sie in die Luft steigen und zur Not in die Seine fallenlassen, wenn es nicht anders geht. In ›der Panik, die dabei entsteht, können wir den Meister befreien und mit ihm fliehen.«
    Wir entschieden uns für diese Lösung. Sie schien uns am vernünftigsten. Dann legten wir die Einzelheiten fest. Jeder bekam eine bestimmte Aufgabe zugeteilt. Als das erledigt war, konnten wir weiter nichts tun als warten.
    Als Jacques Vel uns sagte, dass es Zeit sei zu beginnen, atmete ich erleichtert auf. Wir gingen in den anderen Raum und holten die geheimnisvollen Figuren aus dem Schrank. Es schien uns ratsam, diejenigen auszuwählen, die uns bisher bei unseren Experimenten gedient hatten. Wir hatten beschlossen, die unsichtbaren Kräfte erst in Aktion treten zu lassen, wenn wir im Freien waren.
    Wir stellten die Figuren auf einen Felsblock und sprachen die Formeln. Alles ging vor sich wie gewohnt. Wir hörten das bekannte Brausen. Die unsichtbaren Kräfte waren bereit, in Aktion zu treten. Nun mussten wir sie nach Paris bringen.
    Jacques Vel steckte die Figuren in einen ledernen Beutel, dann gingen wir auf die Straße zu. Als wir uns dem Haus des Meisters näherten, erblickten wir ein Dutzend Fußgänger und zwei oder drei Pferdewagen. Es waren Bauern, Landstreicher und andere Neugierige, die stehen geblieben waren, um sich die Behausung des Hexenmeisters anzusehen.
    Das Brausen, das wir inzwischen schon gewohnt waren, begleitete uns. Es schien die Pferde und auch die Menschen zu erschrecken. Eines der Rösser scheute und ging mit dem Wagen durch. Eine Frau kreischte auf. Wir gingen weiter, denn wir durften keine Zeit mehr verlieren. Als wir an den aufgeregten Menschen vorbeikamen, sah ich einen großen, mageren Burschen, der mir bekannt vorkam. Er wies mit dem Finger auf Lionnel, der uns voranging, und schrie:
    »Das ist der Sohn vom Hexenmeister! Den kenne ich. Er ist‹s! Und da hinten ist seine Nichte. Die anderen kenne ich auch. Sie wollen wieder ihre teuflische Hexerei treiben. Man muss sie verhaften lassen!«
    Wir rannten quer über die Straße und flüchteten einen Weg entlang, der zu einem Bauernhof führte. Dahinter begann ein Wald. Ich hatte Laura bei der Hand genommen und zog sie mit.
    Dann geschah etwas Furchtbares und Unglaubliches, das mich noch heute mit Entsetzen erfüllt, wenn ich daran denke über unseren Köpfen entlud sich plötzlich ein verheerendes Gewitter. Wir wurden von Wirbelstürmen empor gerissen, durch die Luft geschleudert und zu Boden geschmettert, während ein höllischer Lärm uns fast das Trommelfell sprengte. Die Landschaft, die eben noch so friedlich gewesen war, von einer freundlichen Maisonne beschienen, war in drohende Finsternis gehüllt. Unzählige kleinen Feuerbälle, die ein blendend grelles Licht ausstrahlten, wirbelten durch die Luft. Einer von ihnen schlug mitten in die

Weitere Kostenlose Bücher