0020 - Der Mord, der mir den Atem nahm
Sie Mr. Bronnings, einen Buchhalter aus der Fabrik des Toten. Hier ist Mr. Randoph, der Fahrer des Ermordeten. Daneben sitzt Miß Rosabel Tudor, die Hausdame. Und hier schließlich ist Mister William Haters, der Bruder des Toten. Meine Wenigkeit ist bekannt: Jerry Cotton, sonst FBI, heute privat.«
Ich schwieg und zündete mir eine Zigarette an. Die Blicke der anderen hingen gespannt an mir. Ich begann:
»Damit alles klar wird, möchte ich noch einmal kurz den Tatbestand umreißen: Gestern morgen wurde der Gummireifenfabrikant Haters hier in diesem Raum ermordet. Die herbeigerufene Mordkommission fand Haters hier vor dem Schreibtisch liegend, die inzwischen eingetrocknete Blutlache können Sie noch hier auf dem Teppich sehen. Doktor Massari, darf ich Sie bitten, sich zu dem Fall zu äußern?«
Der Arzt folgte seiner Gewohnheit und nahm seine randlose Brille ab, putzte sie und sprach dabei:
»Die erste Untersuchung des Toten ergab mehrere Anhaltspunkte, die sich inzwischen durch die Obduktion als wahr erwiesen haben. Zunächst einmal handelte es sich um einen Herzschuß. Die rechte Herzhauptkammer wurde getroffen. Diese Verletzung war unter allen Umständen, selbst bei einer gesünderen Natur als Haters sie hatte, sofort tödlich. Der Schuß muß irgendwann zwischen neun Uhr fünfundvierzig und zehn Uhr dreißig am gestrigen Vormittag gefallen sein. Der Abstand zwischen der Mordwaffe und dem Körper des Opfers betrug zwischen drei und fünf Metern. Ein Selbstmord schied also aus. Das waren die Resultate meiner Untersuchung.«
»Vielen Dank, Doc. Noch bevor also die Mordkommission mit ihrer eigentlichen Arbeit begann, konnte sie sich doch bereits zweier Dinge sicher sein: einmal daß es kein Selbstmord war, und zum anderen wußte sie die Zeit, innerhalb derer sich die Tat abgespielt haben mußte. Lieutenant Bros, würden Sie kurz zusammenfassen, was die Mordkommission hier vorfand?«
George Bros erhob sich. Er blätterte in seinem Notizbuch und sagte dann: »Wir trafen um elf Uhr vierunddreißig hier ein. Die Haustür war verschlossen und wurde auf unser Klingeln von Miß Tudor geöffnet. Ich sah als erster über die Schwelle der Wohnzimmertür. Der Tote lag vor dem Schreibtisch, daneben saß Mrs. Haters in diesem Sessel dort. Sie hielt eine .Smith & Wesson 38 Special' in der Hand. Ich nahm ihr die Waffe ab und roch daran. Sie roch noch stark nach Pulver, also war vor kurzer Zeit aus ihr geschossen worden. Die Fenster im Raume waren alle von innen zugewirbelt, die Verandatür war von innen zugeriegelt. Das war der Tatortbefund.«
»Vielen Dank, Mister Bros«, nickte ich. »Entwerfen wir uns in aller Kürze das Bild, das für die Mordkommission nach den ersten Vernehmungen entstand. Zunächst Mrs. Haters. Bitte, berichten Sie uns noch einmal ganz kurz die Ereignisse des gestrigen Vormittages, wie sie sich von Ihrer Sicht her abgespielt haben.«
Debora sah mich an, während sie sprach. Nicht eine Sekunde lang ließ ihr Blick meine Augen frei. Es war, als zöge sie daraus die Kraft, dieses Theater mitzumachen, das ihr sicher zuwider war.
»Ich betrat gegen neun Uhr die Bibliothek. Sie liegt hier neben dem Wohnzimmer. Wie Sie sehen, gibt es keine Verbindungstür. Nach einer Weile hörte ich, daß Mr. Haters eine Besucherin an die Haustür führte und hinausließ. Ich hörte deutlich, daß er den Schlüssel in der Haustür zweimal umdrehte, als er die Tür hinter der Besucherin geschlossen hatte. Dann ging er zurück nach hier ins Wohnzimmer. Ich folgte ihm.«
Mister High unterbrach:
»Warum haben Sie in der Bibliothek gewartet, bis die Besucherin das Haus verließ? Wollten Sie ihr nicht begegnen?«
Ich fürchtete schon, Debora würde genötigt werden, die ganze peinliche Geschichte mit der fremden Bardame zu erzählen, die Haters in der Nacht mit in sein Haus gebracht hatte, aber Mister High gab sich mit Deboras Antwort zufrieden:
»Nein, ich wollte der Frau nicht begegnen. — Ich ging also meinem Mann ins Wohnzimmer nach. Er saß hinter dem Schreibtisch. Ich hatte ihm eine familiäre Angelegenheit zu unterbreiten, die ihn sehr aufregte. Es kam zu einem Streit. Er schlug mich. Da ich auf meinem Willen bestand, den ich ihm mitgeteilt hatte, wurde er immer aufgeregter. Schließlich riß er eine Pistole aus dem mittleren Schreibtischfach und bedrohte mich damit. Ich lief hinaus und zurück in die Bibliothek. Einen Augenblick lang fürchtete ich, daß er mir folgen würde, aber dann hörte ich, daß er die von
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