0020 - Der Mord, der mir den Atem nahm
Mann über die Hecke zu kommen versucht, können Sie sicher sein, daß es der Mörder ist.«
»Gut.«
Ich ging auf dem Kiesweg zu dem Gärtnerhäuschen, daran vorbei und quer durch den Garten zur Rückfront der Villa. Mister High und George Bros schienen mich gesucht zu haben, denn sie kamen mir durch die offene Verandatür des Wohnzimmers entgegen.
»Jerry«, sagte Mister High. »Da ist eine kleine Unstimmigkeit, die Mister Bros auf gefallen ist. Er erinnert sich ganz genau, daß er die Haustür hatte versiegeln lassen, als das Dienstmädchen ausgezogen und die Mordkommission abgerückt war. 'Jetzt ist aber das Siegel verschwunden. Es ist zweifellos entfernt worden, denn man kann noch einige Papierspureri an der Stelle sehen, wo es einmal saß.«
Ich griff unwillkürlich in meine Manteltasche und fühlte das Papierchen zwischen meinen Fingern. Grinsend erwiderte ich:
»Was halten Sie vom Wind, Mister High? Wenn es nach mir ginge, würde ich die Version aufrechterhalten, daß der Wind es abgerissen hat. Die Gummierung hinten auf den Siegelpapieren ist wirklich nicht die beste, bestimmt!« George Bros lachte:
»Okay, Mister High. Geben wir uns damit zufrieden. Der Wind, der Wind!« Sie gingen wieder. Mister High allerdings kniff ein Auge ein und raunte mir schnell zu in einem Anfall von Humor:
»Anfänger!«
Ich hatte mich schon mit einem viel kräftigeren Ausdruck bedacht. Auf die Entfernung eines Polizeisiegels steht nämlich auch für Angehörige der Polizei, wenn sie nicht ausdrücklich dazu ermächtigt worden sind, eine empfindliche Strafe. Deshalb hatte ich es nicht zugeben können, daß ich der Villa heute nacht einen Besuch abgestattet hatte.
Ich wollte den anderen ins Wohnzimmer folgen, aber Mister Carsea hatte ebenfalls nach mir Ausschau gehalten und trat mir in den Weg. Er hatte kleine Schweißperlen auf der Stirn und sagte:
»Mister Cotton, ich habe mit Ihnen telefoniert.« Ich legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Keine Sorge, Mister Carsea. Die Sache wird reibungslos laufen. Wenn ich Sie darum bitte, gehen Sie zurück zu Ihrem Haus und bleiben genau dort stehen, wo Sie gestern Ihre Beobachtung machten.«
Er nickte eifrig:
»Jawohl. Jawohl, Sir. Ich werde es genauso machen, wie Sie es sagten. Jawohl. Vielen Dank.«
Ich schob ihn vor mir in das Wohnzimmer hinein. Mit einem letzten prüfenden Blick sah ich mich draußen um. Das Wetter war sehr schön geworden, vom wolkenlosen Himmel strahlte eine warme Sonne. In den Ästen der Bäume saßen ganze Heerscharen von Vögeln und zwitscherten durcheinander, daß es ein herrliches Naturkonzert gab.
Der Garten lag still und friedlich. Ringsum lief die hohe, undurchdringliche Hecke. Rechts lag die Gartenlaube, die auch ihr kleines Geheimnis hatte, wie so vieles in diesem Hause. Ich hatte dieses kleine Geheimnis schon bei meinem ersten Besuch in der Villa herausgefunden, aber es nicht für bemerkenswert gehalten. Und noch in dieser Sekunde ahnte ich nicht, daß sich an dieser kleinen, hübschen Laube eine furchtbare Tragödie abspielen sollte.
Ahnungslos wie ein neugeborenes Baby und zufrieden wie ein rechtschaffener Polizist eben ist, wenn er wieder eine Sache geklärt hat und nur noch den Schlußstrich zu ziehen braucht, betrat ich das Wohnzimmer von der Veranda her.
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Das Wohnzimmer war zum Bersten überfüllt. Außer den Leuten, die ich über Mister High hatte bestellen lassen, waren auch sämtliche Herren der Mordkommission gekommen. Da sich die meisten untereinander nicht kannten, lehnte ich mich mit dem Rücken an die Wohnzimmertür und besorgte die Vorstellung, indem ich reihum auf jeden einzelnen deutete und seinen Namen nannte:
»Mister John D. High, Districtschef der New Yorker FBI-Behörde. Phil Decker, vom FBI. Lieutenant George Bros, Leiter der Mordkommission. Sam O'Marra, stellvertretender Leiter der Mordkommission. Die Vernehmungsbeamten Joe Callagan und Bob Afterboom. Sergeant Kenneth Robber vom Spurensicherungsdienst. Die Corporale Robby und Rasly Holdway, ebenfalls Spurensicherungsdienst. Dr. Massari, der Polizeiarzt. Corporal Brucelli, der Protokollführer. Sergeant Ledderly, der Polizeifotograf. Das wären die Herren der Polizei. Jetzt zu uns Zivilisten, zu denen ich mich ausnahmsweise rechnen darf. Da wäre hier zunächst Mister Red Carsea, der Gärtner dieses gepflegten Grundstückes. Hier sitzt Mrs. Debora Haters, die Witwe des Ermordeten. Das ist Mr. John Masters, der Bankdirektor der County Bank Incorporation. Hier sehen
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