0021 - Wir machten ihm die Hölle heiß
sich leicht absetzen. Einen Meter unterhalb der Zimmerfenster lehnt sich ein Nebendach an.«
»Ist dieser Weg bereits verlegt?«
»Unsere Leute hocken bereits hinter einigen Schornsteinen.«
Wir gingen weiter wie zwei Männer, die sich getroffen hatten und jetzt über das Wetter redeten. Ich war sicher, dass man nicht misstrauisch auf uns werden konnte. Wir gingen unterhalb der Straße in Deckung einer Zeitungsbude.
Mit wenigen Sätzen hatten wir uns abgestimmt.
Ich sorgte dafür, dass noch einige zusätzliche Sicherungen eingebaut wurden, und wartete am Zeitungsstand, bis mein Kollege wieder zurückgekommen war.
»Alles klar«, meldete er.
»Dann werden wir in fünf Minuten zu ihnen gehen«, sagte ich. »Hoffentlich kommen wir an einer Schießerei vorbei.«
»Es sieht aber leider nicht danach aus«, sagte der Kollege. »Decker hat’s mir schon über Sprechfunk durchgegeben. Die beiden Burschen sind bewaffnet und knallen gern durch die Gegend.«
»Es wird sich zeigen, wer besser schießen kann«, sagte ich.
Ich schaute auf meine Armbanduhr und zündete mir eine Zigarette an.
Als die Zeit abgelaufen war, sah ich meinen Kollegen an, der einen sehr zuverlässigen Eindruck machte. Er schluckte und presste die Lippen zusammen. Dann marschierten wir quer über die Straße, das heißt, ich ging zuerst und er folgte mir etwas später. Man sollte uns nicht zusammen sehen.
Die Haustür war bald erreicht.
Der Durchzug, der durch das Treppenhaus wehte, brachte mir einen kompakten Schwall von undefinierbaren Gerüchen übelster Art entgegen. Ich war froh, dass meine Zigarette brannte.
Als mein Kollege aufgeschlossen hatte, gingen wir die Treppe nach oben.
Mir fiel gleich auf, dass es im Haus ungewöhnlich still war. Es war, als hielte dieser Bau den Atem an.
Die Treppenstufen knarrten widerlich. Es gab kaum eine Stufe, die nicht ächzte. Aber was half das? Wir mussten weiter.
Als wir den zweiten Stock erreicht hatten, klappte irgendwo im Treppenhaus eine Tür.
Wir blieben sofort stehen und lausch-. ten nach oben. Wurden wir etwa beobachtet und erwartet? Dann schimpfte eine keifende Stimme los und hinter einer Zimmertür kreischte ein Kind.
Dann wieder Stille.
Im dritten Stock rührte sich nichts. Man hatte den Eindruck, die Bewohner des Hauses hätten ihre Räume verlassen, um zu warten, bis der Sturm vorüber war.
Ich war mir darüber klar, dass das alles Einbildung war. Selbstverständlich war das Haus nicht verlassen worden. Natürlich hielten sich die Bewohner in ihren Räumen und Wohnungen auf. Wir hatten eben nur eine Zeit erwischt, in der es in diesen überfüllten Häusern aus unerfindlichen Gründen plötzlich ruhig ist. Wir mussten damit rechnen, dass im nächsten Moment ein halbes Dutzend Kinder kreischend, rufend und brüllend durch das Treppenhaus jagten.
Wir näherten uns dem vierten Stock, wo die beiden Burschen wohnten. Wir hatten unsere Kanonen längst in der Hand und prüften wie witternde Tiere den langen, dämmerigen Korridor.
Wir duckten uns ab, als eine Tür geöffnet wurde.
Eine Frau erschien, die in der rechten Hand einen elektrischen Kocher trug. Sie blieb vor einer Tür stehen, klopfte kurz an und sprach auf einen Mann ein, der die Tür Spaltbreit geöffnet hatte. Die Tür wurde aufgezogen und sie verschwand in der dahinter liegenden Wohnung.
»Das waren die Gangster«, flüsterte mir mein Kollege zu. »Den einen habe ich ganz deutlich erkannt.«
»Und was ist mit dieser Frau?«
»Von der weiß ich nichts«, sagte er.
»Das hat uns gerade noch gefehlt«, sagte ich leise und lehnte mich gegen die Wand. Solange diese Frau sich in den Räumen der beiden Burschen aufhielt, konnten wir nichts unternehmen. Wir wollten die Frau, die mit der Sache nichts zu tun hatte, nicht in Gefahr bringen.
Sie blieb übrigens sehr lange bei den beiden Männern.
Wie ich vermutet hatte, wurde das Haus nun plötzlich laut. Türen klatschten ins Schloss, Männer- und Frauenstimmen waren zu hören. Musikfetzen dröhnten durch das Treppenhaus, und unten im Erdgeschoss kreischten zwei Kinder, die sich wohl gestritten hatten.
»Wir müssen hier weg«, sagte ich zu meinem Kollegen. »Es kann nicht mehr lange dauern, bis wir Besuch bekommen.«
»Sollen wir weiter rauf, bis oben zum Boden?«
»Nein, warten Sie mal…«
Dann hatte ich endlich die rettende Idee. Wir wollten auf die Frau warten, die den Elektrokocher zu den beiden Männern gebracht hatte. Warum sollen wir auf die Frau nicht in ihrer
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