0023 - Bei Vollmond kommt das Monster
Gaspedal. So hingen sie verkrampft auf den Polstern und starten auf das Monster, das, durch die Geräusche immer mehr in Zorn versetzt, das Fahrzeug rüttelte, als handle es sich um ein zu groß geratenes Plastikspielzeug.
Da ließ das Monster das Wagenheck los. Zu plötzlich für Silla, um den Mirafiori durch geschicktes Spiel mit Gas und Kupplung und entsprechende Lenkbewegungen in der Spur halten zu können. Das hellgrüne Auto schoss einfach los, sobald die Hinterreifen Berührung mit der Fahrbahn hatten. Sofort geriet es ins Schlingern, brach aus und raste über den Grünstreifen.
Silla nagelte das Bremspedal fest. Die Geschwindigkeit verringerte sich. Er konnte jedoch nicht verhindern, dass der Wagen zu rutschen begann und gegen einen der Bäume schlitterte. Es gab einen Knall, als die Motorhaube aufsprang und sich unter der Wucht des Aufpralls verbog.
Aber der Motor lief noch. Silla haspelte etwas Unverständliches hervor, legte den Rückwärtsgang ein.
»Beeil dich, das Monster kommt wieder!«, drängte Sanchini.
Angelo Silla ließ die Kupplung schleifen. Wieder saßen sie fest.
Der Mirafiori war durch den Unfall in eine so ungünstige Position geraten, dass die Reifen auf dem ohnehin feuchten Untergrund nicht fassen konnten. Sie gruben sich nur immer tiefer in das Erdreich.
»Die Hupe!«, keuchte Sanchini.
Alles, was sie tun konnten, war, mit dem Zweiklanghorn um Hilfe zu rufen. Es dröhnte in die Nacht hinaus. Inzwischen mussten die beiden im Wagen Eingeschlossenen zusehen, wie das Monster um das Auto herumhüpfte und gestikulierte.
Das Monster hatte einen triumphierenden Ausdruck im Gesicht.
Es war sich des Sieges gewiss. Am schlimmsten war sein Anblick, als es sich in den Strahl der Scheinwerfer stellte und mit den nackten Füßen gegen den Kühlergrill trat. Seine Fratze leuchtete in vielen Farben; deutlich waren die Eiterbeulen und Schwären zu sehen, die rot glühenden Augen, das verunstaltete Maul, in dem die blau schimmernde Zunge herumschlug.
Plötzlich hielt es inne. Sein Oberkörper pendelte hin und her, die Arme baumelten. Dann brüllte es schaurig, öffnete das Maul von neuem und spuckte einen gelben Schleim auf die Motorhaube.
***
Gino Modena hatte mehrere Minuten gebraucht, um dem Überfallkommando am Telefon klarzumachen, dass er weder betrunken noch geistig umnachtet war. In der Zwischenzeit hatte Professor Zamorra das gesamte Verwaltungsgebäude durchsucht. Nicole Duval war auf sein Geheiß hin bei dem Pfleger geblieben.
Jetzt eilten die drei durch den Park. Zamorra hatte den Revolver in der Faust. Nicole hatte sich einen Morgenmantel übergeworfen, fröstelte aber trotzdem. Um Modenas Gemütszustand war es auch nicht allzu gut bestellt. Er war kreidebleich und brachte kaum ein Wort heraus.
Das grelle Geräusch der Hupe zerriss die Stille.
Nicole blieb stehen und blickte sich erschrocken um. Modena zuckte sogar zusammen und presste die Hände gegen die Ohren.
»Weiter!«, rief Zamorra ihnen zu. »Nicht stehen bleiben! Das sind bestimmt Sanchini und Silla. Sie müssen das Monster entdeckt haben und geben uns ein Zeichen.«
Sie hasteten weiter. Es fiel ihnen nicht schwer, die Herkunft des Hupgeräusches zu lokalisieren. Um Zeit zu gewinnen, verließ Zamorra die Straße und rannte quer durch das Parkgelände. Die Büsche standen nicht so dicht beieinander, dass man sie nicht durchkreuzen konnte. Nicole strauchelte einmal, aber der Professor fing sie auf, bevor sie zu Boden stürzen konnte.
Höchstens zwanzig Meter von der Unglücksstelle entfernt hasteten sie aus dem Gebüsch auf die Fahrbahn. Gino Modena stieß einen Schrei aus, als er den deformierten Mirafiori und das Monster sah, das grunzend auf das Wagendach einhieb. Das Fahrzeug hatte eine Menge Beulen, die nicht von dem Zusammenstoß mit dem Baum herrühren konnten – das Monster hatte sie ihm zugefügt. Es war eine Frage von Sekunden, wann es die Fenster zerschlagen würde, um den beiden Insassen mit seinen Pranken zuzusetzen.
Zamorra gab Nicole einen Wink. Sie verstand und zog sich mit Modena seitwärts in die gegenüberliegende Buschreihe zurück. Hier verharrten beide, weil es keinen Zweck hatte, dass sie sich jetzt in das Geschehen einmischten. Aufgeregt, wie sie waren, wären sie dem Professor höchstens im Wege gewesen.
Um Sanchini und Silla nicht zu gefährden, lief Zamorra bis zum Wagenheck. Das Monster stand links neben der Fahrerseite des Autos. Wenn er also nun vom Heck aus feuerte, lief er keine
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