0023 - Bei Vollmond kommt das Monster
Gefahr, die beiden Ärzte zu verletzen.
Das Monster hatte ihn entdeckt. Wild spuckte es nach ihm aus, duckte sich und gab laute, unartikulierte Geräusche von sich.
Zamorra wusste genau, dass es keinen Zweck hatte, mit dem Einsatz noch länger zu warten. Je näher das Monster kam, desto weiter zog es sich in die Reserve zurück. Vor ihm hatte es wahrscheinlich so etwas wie Furcht, denn die Ereignisse im Haus waren in seinem wirren Hirn wenigstens bruchstückhaft stecken geblieben.
Zamorra hob den Revolver und schoss. Wieder traf er das Monster in die Schulter, diesmal in die rechte. Es brüllte und legte eine Pranke auf die Einschussstelle. Seine Augen traten noch weiter aus den Höhlen. Sie erweckten den Eindruck, als wollten sie ganz herausquellen.
In der Smith & Wesson steckten noch fünf Patronen, denn Zamorra hatte nach der Auseinandersetzung in Sanchinis Gebäude nachgeladen. Jetzt legte er von neuem an. Der Schuss peitschte. Eine handlange Feuerzunge zuckte aus dem kurzen Lauf.
Das Projektil drang in den Kopf des Monsters. Ein Mensch hätte jetzt auf der Stelle tot umfallen müssen. Nicht so das Monster. Es heulte zwar vor Qual und Hass, war aber nicht sonderlich in seiner Bewegungsfreiheit beeinträchtigt. Ganz plötzlich warf es sich herum und begann zu laufen.
Es wollte zu den schützenden Büschen. Zamorra rannte ihm nach und schoss im Laufen. Diesmal fraß die Kugel von hinten ein Loch in den Schädel des Schreckenswesens. Aus irgendeinem Grund wurde das Monster von seiner Richtung abgebracht. Es wandte sich nach links und jagte auf dem Grünstreifen entlang, wobei es dem Verlauf der Fahrbahn folgte.
Zamorra bemerkte nur aus den Augenwinkeln, wie Sanchini und Silla die zerbeulten Türen des Mirafiori aufstießen und ins Freie taumelten. Er konzentrierte sich vollständig auf die Verfolgung des Monsters. Diesmal durfte es ihm nicht entgehen.
Aber es entwickelte eine ungeahnte Geschwindigkeit. Zamorra begriff schon nach den ersten Metern, dass er es niemals einholen konnte. Als es sich grunzend nach ihm umdrehte, brachte er den Revolver wieder in Anschlag und zog durch. Die Kugel schlug in das linke Auge des Monsters.
Zamorra kniff unwillkürlich die Augen zusammen – der Anblick war so scheußlich, dass selbst er sich abgestoßen fühlte. Das Auge des Monsters war durch das Projektil total zerstört worden; bevor die Schreckensgestalt heulend mit der Faust daran rieb, konnte man verfolgen, wie es als gallertartige blutige Masse auslief.
Das Monster hatte jetzt sechs 38er Kugeln im Leib. Und doch setzte es seinen Weg fort. Es wirkte schwerfällig, wie es so dahintorkelte. Aber der Schein trog: Es konnte rennen wie ein gut trainierter Hund.
Zum Glück bekam Zamorra unerwartete Hilfe. Zu seiner Linken lösten sich unvermittelt die Gestalten von Nicole Duval und Gino Modena aus dem Unterholz. Sie brauchten nur über die Fahrbahn zu stürmen, um das Monster zu fassen zu bekommen. Ihr Weg zu dem Ungeheuer betrug ungefähr nur die Hälfte der Distanz, die zwischen ihm und dem Professor lag.
Modena hatte all seinen Mut zusammengerafft. Natürlich wollte er auch nicht vor Nicole und den anderen als Feigling dastehen; trotzdem hatte es ihn erhebliche Überwindungskraft gekostet, den Angriff auf das Monster zu wagen. Beherzt sprintete er noch vor Zamorras Sekretärin über den Asphalt. Er schrie dem Monster etwas zu. Zamorra konnte die Worte nicht verstehen.
Das Monster glotzte mit dem einzigen gesunden Auge nach dem Widersacher, blieb jedoch nicht stehen, um sich ihm zu stellen. Es grunzte und lief weiter.
Der Krankenpfleger warf sich nach vorn. Schon einmal in dieser Nacht hatte er Mauro auf diese Art zu Fall gebracht. Er bekam das Monster an den Beinen zu fassen. Obwohl es mehr als das Doppelte an Kraft des Geisteskranken hatte, der es zuvor gewesen war, kam es nicht rechtzeitig aus dem Griff des kleinen Mannes los und stürzte zu Boden.
Modena schaffte es nicht, das Monster länger als ein paar Sekunden lang festzuhalten. Es trat, schlug und spuckte nach ihm. Zwar wehrte er sich, so gut er konnte, musste aber doch aufstecken, als er einen Hieb gegen die Schläfe bekam. Stöhnend wälzte er sich auf dem Gras.
Das Monster wollte sich aufrappeln. Doch da war Nicole heran.
Sie traktierte das Ungeheuer mit den Hacken ihrer Schuhe. Zeit wurde gewonnen.
Da war Zamorra heran. Er richtete seine Waffe auf das tobende Ungeheuer. Es wollte Nicole Duval mit den Pranken niederschlagen, traf jedoch nicht.
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