0026 - Die Braut des Henkers
Zamorra erkannte, dass es Kerzenlicht war.
Eine Gestalt hob sich scharf gegen den gleißenden Durchlass ab.
Die Gestalt war schlank, hager. Das Gesicht war schmal, und die Nase gab ihm das Aussehen eines Geiers, der sich von Aas ernährt und für den der Tod Leben bedeutet.
Und Zamorra begriff. Er kannte das Gesicht, hatte es schon viele Male gesehen. Zwar war es immer anders, doch die Person, die sich dahinter verbarg, war immer die Gleiche.
Es war das Böse, Satan, ein Dämon, der den Menschen das Glück nehmen wollte und ihnen ewigen Kampf geschworen hatte.
Zamorra wollte aufschreien. Er konnte es nicht. Seine Lungen hatten nicht mehr die Kraft dazu.
Die Gestalt tat einen Schritt auf die Treppe zu. Sie stimmte ein höhnisches Gelächter an.
Und das war das Letzte, was Zamorra noch bewusst wahrnehmen konnte. Denn es wurde schwarz vor seinen Augen. Die Schlange riss den Rachen auf, zuckte auf ihn zu und der Rachen schloss sich.
Sein Geist löste sich von der Wirklichkeit um ihn, und er stürzte zu Boden.
Er rutschte die Treppenstufen hinunter und blieb reglos neben dem Beil des Hexenhenkers von Coryhead liegen.
***
Richard war in einer flachen Mulde in Deckung gegangen. Sein teuflischer Geist arbeitete fieberhaft.
Blut rann ihm in die Augen. Diese Frau hatte verflucht gut getroffen.
Er tastete seine Stirn ab. Die Platzwunde befand sich genau über der Nasenwurzel. Er war im ersten Augenblick verblüfft gewesen, dass die Frau noch zur Gegenwehr bereit war. Überraschen konnte er sie also nicht, wie er es zuerst vorgehabt hatte.
Jetzt musste er einen anderen Weg finden.
Vorsichtig hob er seinen Kopf. Ein Schreck durchzuckte ihn. Wo war dieses verdammte Weib abgeblieben?
Angestrengt starrte er hinüber zu dem Stein, auf dem sie gesessen hatte. Dann konnte er die Fußspuren im Sand erkennen. Sie führten genau zu den beiden Felsblöcken.
Sollte sie sich etwa dort versteckt haben? In dem Spalt zwischen den Steinkolossen?
Möglich wäre es immerhin. Er musste sich sofort Gewissheit verschaffen. Wenn ja, dann wurde es schwierig für ihn. Denn offensichtlich verlieh dieses Amulett auch ihr Kräfte, die sie mit der Situation fertig werden lassen konnten. Ihre beherzte Gegenwehr war ein Beweis dafür.
Er verließ die Mulde und huschte lautlos über den Strand.
Er hatte richtig gesehen. Die Fußspuren verschwanden in dem Spalt. Also hatte sie es doch geschafft.
Der Unheimliche fluchte leise vor sich hin. Dort war die Frau so gut wie unbesiegbar. Denn sie brauchte ihm nur das Amulett entgegenzuhalten, dann konnte er gar nichts machen.
Die einzige Möglichkeit war, dass er sie überraschte und von einer Seite seinen Angriff startete, von der sie ihn auf keinen Fall erwartete. Doch wie sollte er das bewerkstelligen?
Sie geistig beeinflussen konnte er nicht. Denn dieses verfluchte Amulett machte das unmöglich.
Vielleicht ein Schreck, der sie ohnmächtig werden ließ?
Er ließ seinen Blick suchend schweifen.
Und dann wusste er, was zu tun war.
Die beiden Felsblöcke waren zur Hälfte in einer Düne vergraben.
Von hinten musste es ihm gelingen, sie zu erklettern. Dann brauchte er sich nur oben an den Spalt heranzuschleichen und hinunterzuspringen.
Es würde für sie so unerwartet kommen, dass das Überraschungsmoment auf seiner Seite war. Und wenn er es richtig anstellte, dann würde er ihr das Amulett wohl entreißen können, ehe sie sich von ihrem Schreck richtig erholte. Ja, das war genau der Weg.
Er eilte zurück und umrundete den rechten Felsblock. Er lief bis zum Fuß der Düne und machte sich an den Aufstieg. Es war mühsam, denn immer wieder rutschte er zurück, und er kam nur zentimeterweise voran.
Er war wütend, dass seine Mittel so beschränkt waren. Doch seine Ahnen hatten ihn nicht mit allen dämonischen Fähigkeiten ausgestattet. Ihnen konnte er verdanken, dass er auf seine Umwelt einen bösen Einfluss hatte. Zwar konnte er in der Finsternis sehen, wo andere Menschen so gut wie blind waren. Aber das war auch schon alles. Ja, und er konnte die Gedanken seiner Mitmenschen erahnen. Er wusste, wer ihm feindlich gesonnen war, konnte sagen, wer ihn mochte. Doch das waren nur wenige. Bald würden es mehr werden, ein ganzes Heer von Statansverehrern.
Meter um Meter wühlte er sich durch den Sand nach oben auf die Felsklötze.
Nicole Duval drückte sich so weit es ging in den Spalt. Ihr Herz raste. Die Stille um sie war unheimlich. Sie war sich gar nicht mehr so sicher, ob sie überhaupt etwas
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